Bremen 2030: Im Projektfrust ?

■ Das Projekt „Bremen 2030“ präsentierte sich der Öffentlichkeit im Kaminsaal des Rathauses: Konkretes war dabei nicht zu erfahren

Die Zukunft hat Konjunktur. Wer immer etwas verkaufen will, sei's ein Handy, einen Bausparvertrag oder ein Projekt: Das Ding muss zukunftstauglich sein. Mit Gegenwart allein ist heute nichts mehr zu machen. Weil sie sich so schnell verändert. Da kann man sich schon mal ohnmächtig fühlen. Wie zum Beispiel Bürgermeister Hartmut Perschau am Dienstagabend im Kaminsaal des Rathauses: „Die Zeit verändert sich auch ohne uns.“ Da schau an. Also hat Perschau erkannt: „Wenn man die Chance der Veränderung nutzen will, dann muss man voraushandeln und die Veränderung lieben.“ Und man muss Projekte machen mit einem Titel wie: „Bremen 2030“.

2030 – gerne hätten wir gewusst, wie in 29 Jahren das Rathaus verpackt sein wird und ob wir dann mit Fingerabdruck Straßenbahn fahren können. Ob es noch Autos gibt und welche Zukunft die Poller haben. Aber darum geht es bei dem Projekt nicht.

„Bremen 2030“ ist lediglich ein Gremium aus den beiden Bremer Bürgermeistern, international tätigen Sozialwissenschaftlern sowie Vertretern der Dienstleistungsgesellschaft ver.di und des Deutschen Städtetages. Gemeinsam wollen die Beteiligten durch die „Abstimmung von Öffnungszeiten, Fahrplänen und Arbeitszeiten mit der individuellen oder familiären Alltagsorganisation einen Beitrag zur Erhöhung der Lebensqualität für die Bürgerinnen und Bürger leisten“.

Das heißt konkret: Man kümmert sich um die Öffnungszeiten des BürgerCentrums in der Pelzer Straße und um die Verkehrsanbindung des Bahnhofs Vegesack. Und weil das noch nicht wirklich Eindruck macht, findet man neue Vokabeln: Was bislang „Stadtplanung“ hieß, das nennt der Projektrat nun „moderne städtische Zeitpolitik“.

Viel Lärm um nichts? Eine Erklärung dafür liefert die Geschichte des Zukunftsprojekts: „Bremen 2030“ entstand aus einem Expo-Projekt und bekam im März Auftrieb durch den ersten Preis beim bundesweiten Wettbewerb „Stadt 2030“. Seit Juni wird das Kind von Ulrich Mückenberger (Hochschule für Politik und Wirtschaft in Hamburg) und Günter Warsewa (Universität Bremen) mit einer Million Mark vom Bundesforschungsministerium finanziert. Und im November 2002 ist wieder Schluss, dann ist die Fördermillion aufgebraucht.

„2030“ heißt das Ganze, weil man bei den Maßnahmen, die der Projektrat vorschlagen wird, die „prognostizierbare Entwicklung“ im Blick haben möchte. Und weil ein „Teilvorhaben“ darin besteht, ein programmatisches Leitbild für „die zeitbewusste Stadt im Jahr 2030“ zu erstellen.

Wie dieses Leitbild aussieht, ist noch unklar, sicher ist jedoch: Alle sollen daran mitbasteln. Neben dem Projektrat sollen sich auch Kinder und Künstler zum Leitbild „Bremen 2030“ äußern. Perschau: „Wir wollen in einen Dialog kommen.“ Und ver.di-Frauenreferentin Vera Morgenstern möchte gar die „Zeitbedürfnisse eines jeden Einzelnen untersuchen, sie dann gegenüberstellen und zu gemeinsamen, vernetzten Lösungen kommen.“

Alle befragen, mit allen reden und am Schluss soll es allen Recht sein – kein Wunder, dass Morgenstern „Projektfrust“ fürchtet, wenn sie ihre Gewerkschaftsmitglieder für „Zeitpolitik“ begeistern möchte. Am ehesten von „Bremen 2030“ profitieren dürften die Wissenschaftler: Sie haben Fördergelder rekrutiert und beweisen Praxisnähe. Und haben doch nichts weiter gemacht, als die Bereiche Stadtentwicklung, Statistik und Zeitmanagement in einen Topf zu werfen und so lange zu rühren, bis das Ergebnis besser aussieht als die Zutaten. Und wenn man sich auch schwer tun wird, eine gemeinsame Sprache zu finden: Man wird immerhin darüber geredet haben.

Klaus Irler

Mehr Infos zum Projekt „Bremen 2030“ gibt es im Internet: www.bremen2030.de