Die kleinen Kinder des großen Bruders

Datenjäger und Datenschützer im Internet: Jeder Mausklick kann eine Information über unser privates Verhalten sein

Was geschieht, wenn wir intimste Geständnisse einer Mail anvertrauen, die eigene Kontonummer in ein Formular eingeben oder Dinge im Web anschauen, von denen wir niemals jemandem erzählen möchten? Die einzig ehrliche Antwort lautet, dass wir es ganz einfach nicht wissen.

Auch die Journalistin Christiane Schulzki-Haddouti weiß es nicht in jedem Fall. Aber sie hat sich seit Jahren mit dem Problem des Datenschutzes im Internet beschäftigt. Ihre Artikel erscheinen regelmäßig im Onlinemagazin Telepolis, in diesem Herbst ist nun eine Bilanz ihrer Recherchen in Buchform erschienen: „Datenjagd im Internet, eine Anleitung zur Selbstverteidigung“.

Der Untertitel zeigt an, dass die Autorin keine Angst verbreiten will. Wir können uns gegen die digitalen Angriffe auf unsere Privatsphäre zur Wehr setzen, allerdings nur dann, wenn wir uns informieren über die technischen Möglichkeiten der Ausforschung: Jeder Mausklick kann eine Information übermitteln, von der wir nicht einmal wissen, dass es für jemanden eine Information ist. Prägnant schreibt Christiane Schulzki-Haddouti, dass heute „viele kleine Schwestern und Brüder“ den großen Bruder aus George Orwells Roman abgelöst haben. Ihre Macht geht weit über die eines Diktators hinaus, denn sie verschwindet aus dem Blick wie die unsichtbaren „Webkäfer“, die Informationen über das Verhalten des Betrachters an den Betreiber einer Website übertragen.

Der Vorzug dieses Buches besteht nun aber darin, dass es aus solchen Tatbeständen keinen Sensationsgewinn schlägt. Es steht in der Tradition der Netzpioniere, die meinen, das Internet gehöre immer noch seinen Nutzern. Schon die Frage, wer denn ein Interesse an der Überfülle an Datenspuren habe, die wir auf Millionen Rechnern hinterlassen, führt zu einem bemerkenswerten Ergebnis: Staat und Industrie verfolgen mitunter einander ausschließende Interessen. Vermutlich zu Recht möchte sich die Autorin darauf aber nicht verlassen. Ausführlich erläutert sie die Methoden, mit denen wir uns schützen können. Nicht der Ruf nach dem Staat wird das Netz sicherer machen, sondern – Computerprogramme. „Die Bürger verfügen über Rechte, die sie auch per Technik verteidigen und durchsetzen können.“ NIKLAUS HABLÜTZEL

niklaus@taz.de

Christiane Schulzki-Haddouti: „Datenjagd im Internet“. Hamburg 2001, 269 Seiten, 28 DM