Aids vor Gericht

Südafrikas Regierung ficht Urteil an. Dieses fordert Medikamentenverteilung an infizierte Schwangere

Johannesburg taz ■ Der Rechtsstreit um die staatliche Aidspolitik in Südafrika geht in die nächste Instanz. Gesundheitsministerin Manto Tshabalala-Msimang kündigte die Anfechtung eines Urteils des Obersten Gerichts in Pretoria vor dem Verfassungsgericht an. Das Gericht hatte in der vergangenen Woche entschieden, dass das Anti-Aids-Medikament Nevirapin an virusinfizierte Schwangere landesweit in Kliniken und Hospitälern verteilt werden solle. An die Regierung erging die Aufforderung, bis zum 31. März 2002 ein Behandlungsprogramm vorzulegen.

Ayanda Ntsaluba, Leiter des Gesundheitsministeriums, erklärte, die Regierung habe das Urteil zwar zur Kenntnis genommen und sei nach wie vor für eine Ausweitung der Behandlung mit Nevirapin. Diese sei nur auf der Grundlage von Untersuchungsergebnissen der 18 Pilotprojekte möglich, die in diesem Jahr angelaufen seien. Obwohl die deutsche Firma Böhringer Ingelheim das Medikament über fünf Jahre umsonst angeboten hat, wird Nevirapin lediglich in den Pilotprojekten verabreicht, die etwa zehn Prozent der HIV-infizierten Mütter erreichen.

Vertreter der Aktivistengruppe „Treatment Action Campaign“ (TAC), die mit dem jüngsten Urteil in Pretoria erneut einen bemerkenswerten Sieg davongetragen hatten, beschuldigten die Regierung während des Prozesses, ihre „irrationale Politik“ bedrohe das Leben von Müttern und Kindern. Durch das Medikament, das in Südafrika derzeit für etwa drei Mark pro Dosis erhältlich ist, könnten schätzungsweise 50.000 Neugeborene im nächsten Jahr gerettet werden. TAC kritisierte überdies, die Regierung verstoße gegen das in der Verfassung verankerte Recht jeden Bürgers auf medizinische Versorgung. „Man kann nicht Vorbeugung und Behandlung trennen“, sagte der TAC-Vorsitzende Zackie Achmat. „Wir wissen auch, dass eine Behandlung nicht überall sofort möglich ist, aber die Regierung hat bisher nichts in dieser Richtung unternommen.“ Das Urteil mache Hoffnung, löse aber nicht die Aidsproblematik in Südafrika.

Die TAC-Gruppe hatte in diesem Jahr bereits im April einen ersten Sieg im Gerichtssaal errungen. Damals kämpfte die unabhängige Organisation mit der Regierung gegen 39 internationale Pharmakonzerne, um ein Gesetz durchzusetzen, das der Regierung die billigere Herstellung von Nachahmerprodukten von Anti-Aids-Medikamenten erlaubt. Internationaler Druck führte zur Reduzierung der Preise durch die Herstellerbetriebe. Dennoch seien sie für die Mehrheit der Aidskranken zu hoch. Etwa fünf Millionen Menschen der 43-Millionen-Bevölkerung leben mit dem tödlichen Virus. MARTINA SCHWIKOWSKI