Israels Armee äußert Kritik

Die Bekämpfung palästinensischer Attentäter allein durch militärische Maßnahmen wird zunehmend in Frage gestellt. Hohe Militärs fordern politische Schritte. Sicherheitskooperation zwischen Regierung und Autonomiebehörde geht weiter

aus Jerusalem ANNE PONGER

Der israelische Ministerpräsident Ariel Scharon hat Geheimdienstchef Avi Dichter gestern beauftragt, mit den Leitern palästinensischer Sicherheitsdienste Kontakte zur Terrorbekämpfung aufzunehmen. Mohammed Dahlan, Chef der „Präventiven Sicherheit“ in Gaza, meldete, er unterhalte mit Genehmigung von Palästinenserführer Jassir Arafat telefonische Kontakte zu Israels Verteidigungs- und Außenministerium, beide unter Führung von Arbeitspartei-Ministern. Israels Regierung hatte kürzlich beschlossen, die Kontakte zur Autonomiebehörde einzustellen.

Generalmajor Amos Malka, Direktor des militärischen Geheimdienstes, alarmierte indes die Öffentlichkeit durch Warnungen mit einer lange Liste von geplanten Anschlägen. Bei einer Pressekonferenz für Militärkorrespondenten erstickten hohe Sicherheitsquellen am Dienstag alle Hoffnungen, dass Israel das Terrorproblem durch militärische Maßnahmen lösen könne. „Als wenn man das Meer mit einem Löffel ausschöpfen wollte“, zog ein Antiterrorveteran einen drastischen Vergleich.

Die Kontakte zwischen Israel und der Palästinenserbehörde, die die „Irrelevanz“-Erklärung der Scharon-Regierung gegenüber Arafat in Frage stellen, werden offenbar durch immer lautere Armeehinweise ausgelöst, dass die populistischen Hoffnungen rechter Politiker auf eine militärische Zerschlagung von Terrorstrukturen keine realistische Basis haben. Obwohl Hunderte von Terrorverdächtigen verhaftet und Dutzende liquidiert wurden, sind rund 400 „schwere Terroristen“ noch auf freiem Fuß. Hohe Angehörige von Arafats Sicherheitsapparat sind ebenso in Terrorplanungen verwickelt wie nichtislamische Organisationen in Selbstmordattacken, beispielsweise die säkulare „Volksfront zur Befreiung Palästinas“.

Neue Daten der israelischen Armee weisen auf „Hisbullah-Fingerabdrücke“ in den Palästinensergebieten hin, die an die Angriffstaktiken der libanesischen Miliz gegen die israelische Besatzung im Südlibanon erinnern. Den gleichen Angaben zufolge verfügt Hamas mittlerweile über hochqualifizierte Bombenbauer, deren Expertise mit der moderner Armeen konkurrieren kann. Professionelles Know-how wird demnach aus Ingenieurfakultäten arabischer Hauptstädte importiert, auch von Hisbullah und aus Afghanistan. Die Hamas reichere Bomben mit Nitroglyzerin und anderen Giftstoffen an. Sie plane Morde an israelischen Politikern und synchronisierte Massenattacken, die die Spielregeln dramatisch verändern sollen. Dagegen seien gezielte Liquidierungen und Verhaftungen ein Tropfen auf den heißen Stein. „Die Ausmerzung eines Hamas-Terroristen ruft etliche neue auf den Plan“, warnten hohe Offiziere. Politische Angebote und Verhandlungen sind deshalb als Antiterrormaßnahmen immer häufiger im Gespräch. „Für Scharons Angebot von 42 Prozent der Palästinensergebiete wird kein Terrorist den Bombengürtel ablegen“, meinte der ehemalige Generalstabschef Amnon Lipkin-Schachak. „Die Alternative kann nur politisch sein.“