Eine Hinrichtung weniger

Todesurteil gegen den Menschenrechtsaktivisten Mumia Abu-Jamal aufgehoben – nicht aber der Schuldspruch. US-Gericht muss Strafmaß neu festsetzen, Abu-Jamal droht lebenslange Haft

BERLIN taz ■ Dem afroamerikanischen Aktivisten Mumia Abu-Jamal, der im US-Bundesstaat Pennsylvania zum Tode verurteilt wurde, bleibt höchstwahrscheinlich die Hinrichtung erspart. US-Bundesrichter William Yohn hob gestern in Philadelphia das Todesurteil, nicht aber den Schuldspruch gegen Abu-Jamal auf. Er lehnte auch das Ersuchen Abu-Jamals ab, den Prozess von 1982 neu aufzurollen.

  Yohn ordnete an, dass die Justizbehörden von Pennsylvania innerhalb von 180 Tagen das Strafmaß neu festsetzen müssen. Sollte diese Frist nicht eingehalten werden, wird die Strafe für Abu-Jamal in lebenslange Haft umgewandelt. Philadelphias Staatsanwältin Lynn Abraham kündigte an, gegen Yohns Spruch vor das Bundesberufungsgericht zu ziehen.

Das Todesurteil gegen den heute 47 Jahre alten Abu-Jamal, dem vorgeworfen wurde, 1981 in Philadelphia einen Polizisten erschossen zu haben, wurde weltweit kritisiert. Eine breite Solidaritätsbewegung bezeichnete es als politisches Urteil gegen einen oppositionellen Journalisten und Streiter für die Rechte der afroamerikanischen Minderheit in den USA.

Viele der etwa 3.500 Insassen der Todestrakte in den Vereinigten Staaten haben allerdings ähnlich fragwürdige Verfahren mit Ermittlungsfehlern, lückenhafter Beweisführung und unzureichender Möglichkeit zur Verteidigung erlebt wie Abu-Jamal. Knapp hundert Todesurteile mussten in den vergangenen Jahren nach Druck der Öffentlichkeit und neuen Ermittlungen aufgehoben werden. Ein Moratorium für Hinrichtungen wurde von vielen Seiten verlangt. Ein Resultat: Die Zahl der vollstreckten Todesurteile ist in den vergangenen beiden Jahren gesunken. Pam Africa, Vorsitzende einer der vielen Solidaritätsgruppen für Abu-Jamal, sagt, die Gerichtsentscheidung vom Dienstag sei kein Sieg. „Mumia ist unschuldig, und wir wollen, dass er freikommt.“

Auf der anderen Seite ist aber auch die Witwe des erschossenen Polizisten Daniel Faulkner „absolut empört“. Sie sieht in Abu-Jamal einen kaltblütigen Killer und will weiter um „Gerechtigkeit“ für ihren Mann kämpfen. Volker Beck, der rechtspolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, bezeichnete ein Wiederaufnahmeverfahren „als in jedem Fall geboten“, weil der Fall viele Ungereimtheiten aufweise. Beck meinte: „Die USA sollten sich den zivilisierten Rechtsstaaten in dieser Welt anschließen und ganz auf die Todesstrafe verzichten.“ STEFAN SCHAAF

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