„Holger Lüring ist früh verwahrlost worden“

■ Zwölf Jahre Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung lautet das Urteil für den Serienvergewaltiger

Hinterher lagen sich die Klägerinnen in den Armen, Verwandten standen Tränen in den Augen. Den der mehrfachen brutalen Vergewaltigung überführten Holger Lüring traf gestern mit der Urteilsverkündung im Bremer Landgericht die volle Härte des Gesetzes. Für fünffache Vergewaltigung, zum Teil in Tateinheit mit schwerem Raub, bekam der 44-Jährige eine Haftstrafe von 12 Jahren mit anschließender Sicherungsverwahrung. Mit hoher Wahrscheinlichkeit bleibt er lebenslang eingesperrt. Richter Harald Schmacke: „Das ist ein Urteil, das wir meines Wissens seit über 20 Jahren nicht mehr ausgesprochen haben“.

Wie berichtet wurde Holger Lüring der Verbrechen an den zwischen 18 und 32 Jahre alten Frauen überführt, weil seine DNA nach neuer Gesetzeslage mit den gespeicherten Sperma-Spuren aus den Wohnungen der Opfer abgeglichen werden konnte. Der Verurteilte saß bereits seit 1998 wegen eines brutalen Raubüberfalls auf ein altes Ehepaar in Bremen Nord im Gefängnis – die beiden Eheleute kamen wegen der Aufregung zu Tode. Gegenüber den Sachverständigen und Gutachtern gab er als Beruf „Einbrecher“ an.

„Offene Fenster“, so habe er gestanden, übten einen unwiderstehlichen Sog auf ihn aus. „Er bricht hemmunglos in die Privatsphäre anderer Menschen ein, ohne Rücksicht auf deren Gefühle“, fasste Richter Schmacke zusammen. Das Gericht habe die Diebstähle „registriert“, das Urteil aber erginge wegen der Vergewaltigungen. Fünfmal war er zwischen 1991 und 1995 maskiert in Wohnungen und Wohnheime eingedrungen, hatte den Frauen die Augen verbunden, sie geknebelt, gefesselt und mit dem Tod bedroht – ein Albtraum könnte es sich nicht verheerender ausmalen. Eine knapp 20-jährige zwang er zum Mundverkehr und zum Verschlucken des Ejakulats. „Alle Frauen sind aus ihrer Lebensbahn geworfen worden“, so der Richter. Das Höchstmaß von 15 Jahren Haft, das der Gesetzgeber vorsieht, wurde von der Strafkammer um drei Jahre auf 12 verkürzt, weil Lürig vor Gericht alles zugegeben hat. Entscheidend an dem Urteil bleibt jedoch die an die Haft anschließende Sicherungsverwahrung.

Der Angeklagte hörte all dies mit gesenktem Kopf und wagte keinen Blick in Richtung der Klägerinnen. Er nahm auch die richterliche Beurteilung seiner Person reglos entgegen. Die Sachverständigen, darunter mehrere Psychologen, seien zu der Auffassung gelangt, dass Lüring ein „gefährlicher Rückfall- und Serientäter“ sei. Die Sicherungsverwahrung, die nur als „Notbremse und zum Schutz der Allgemeinheit“ verhängt werden dürfe, sei angemessen. Gleichwohl empfahl der Richter die Unterbringung in einer sozialtherapeutischen Anstalt. Bremen leistet sich eine solche Abteilung nicht, ob in Hamburg oder Hannover ein Platz für den Verurteilten frei wird, entscheidet sich erst später. Auf die Psychologen habe der Verurteilte, der alle Taten zugab, einen zum Teil stundenlangen „Wortschwall“ niederprasseln lassen. „Es sind Rudimente von Gewissen vorhanden“, so Schmacke, der einräumte, noch nie „von einer so verheerenden Sozialisation gehört“ zu haben. Jedes Gefühl sei aus ihm herausgeprügelt worden. „Herr Lüring ist früh verwahrlost worden.“ Elke Heyduck