Nie mehr Münzen!

Die neuen Euro-Geldstücke sind schon ein arges Blech – und alle freuen sich

Das neue Klimpergeld ist da. Es sieht tatsächlich aus wie Schokoladengeld, und man ist immer versucht, am Rand der Münzen herumzupolken, um zu prüfen, ob nicht vielleicht doch ein Schokotaler dabei sein könnte. Bis jetzt ist aber noch keiner dabeigewesen, leider.

Wenn man das Geld nicht essen kann, was kann man sonst damit tun? Man kann es sich ansehen, im Licht drehen, man kann es auf den Boden fallen lassen, um zu hören, wie es klingt, wenn das neue Geld auf den Boden fällt. Bei der D-Mark war ja schon am Klang zu hören, welche Münze da über die Dielen bollerte und ob sich das Suchen und Bücken überhaupt lohnte. Die neue Währung aber agiert in der Hinsicht entschieden zu unentschieden. 50 Cent oder zwei Euro – nur Experten werden hier einen Unterschied hören.

Auch das Blindfummeln in der Hosentasche führt zu unbefriedigenden Resultaten. Die Größenverhältnisse sind der reine desaströse Unsinn. Der Rand der Münzen mag ja verschieden gewalkt, geriffelt oder zerbeult worden sein, aber solche Sorte Blindenschrift wird für die mit Hornhautbuckeln übersäten Fingerspitzen des Ackerbauern ein ewiges Mirakel bleiben. Was denken die Zentralbankwichtis auch? Dass man ständig dumpf sein Geld in der Hostentasche betascht und umfingert, bloß um herauszukriegen, welcher Miniaturbetrag da seine rätselhafte Existenz fristet?

Einfach nur ekelerregend aber sind die akurat aufs Blech geprägten Zahlen. Igitt! Selten hat man Zahlen sich derart prostituieren sehen wie auf dem Euro. Dass man sie überhaupt nur mit dem geschärften Auge des Wasserzeichenprüfers erkennen kann, schmälert die Ästhetik des Grauens keineswegs. Die idiotisch verschwiemelte, semiflotte Typographie kannte man bisher nur von Diabetikerrezepten, die „trotzdem schmecken“, von Hochzeittagsgrußkarten oder von Preistafeln vor Fitnesspuffs. Diese Zahlen sind ein Brechmittel. Es wäre nicht verwunderlich, wenn die Hamburger Schill-Polizei demnächst mutmaßlichen Dealern einfach ein paar Euro-Münzen vor die Nase hielte, um sie alles, was sie je in ihrem Leben gegessen haben, wieder auskotzen zu lassen.

Am besten wird vielleicht sein, künftig jeglichen Körperkontakt mit den Münzen abzulehnen. Es gibt ein Leben ohne Münzen – und erst recht ohne dieses billig auf Schick designte Glitzergeld mit Goldrand. Nie mehr danach in der Hosentasche graben, nie mehr es aus dem Kleingeldfach des Portemonnaies wühlen oder aus dem Flusensieb der Waschmaschine herausklauben. Aber wohin damit? Bettler und sonstige Trinkgeldempfänger wird man mit diesen Drecksklöten nicht behelligen wollen, da überreicht der Bessergestellte mit Geschmack in Zukunft bitteschön Scheine. Die Münzen lässt er am besten einfach im Ausgabefach von Automaten schmoren, gleich an der Supermarktkasse liegen, oder er legt sich einen Zimmerspringbrunnen zu, in dessen Becken er das Geld hineinschnippt.

Nie mehr Münzen! Manche werden meinen, dass sie diesen Luxus sich nicht werden leisten können, doch das ist, was der Sturm auf die wie Drogen frisch verschweißten Eurosäckchen zeigte, Augenwischerei. 20 Mark kostet das so genannte Starterkit – 20 Mark, mit denen vorerst nichts weiter anzustellen ist, 20 Mark, die zwar da sind, aber nur geparkt, 20 Mark, die einfach fehlen. Die fehlenden 20 Mark haben bislang weder Existenzen ruiniert noch Bilanzen irritiert. Sie sind weg, keiner vermisst sie, keiner braucht sie – derweil das nagelneue Euroblech sinnlos herumliegt. Na bitte.

Es wäre allerdings interessant zu wissen, wer diese 20 Mark jetzt hat und was mit ihnen passiert. 53,5 Millionen Geldtüten sind gepackt, mehr als eine Milliarde Mark also. Falls die Starterpakete nicht ausreichen, und es sieht ganz danach aus, gibt es noch mal eine Milliarde Euro, etwa zwei Milliarden Mark, extra. Zusammen sind das mehr als drei Milliarden Mark, welche die Banken mal eben für 14 Tage spendiert bekommen, zinsfrei.

Das ist keine allzu geringe Summe. Drei Milliarden Mark für null, das ist nicht wenig und vielleicht der billigste Tageskredit der Weltgeschichte, den die Banken sich da selbst genehmigen, während die Deutschen zwei Wochen mit Spielgeld in der Tasche herumlaufen und sich noch darüber freuen. Allein an Zinsen wären im normalen Kreditbetrieb dafür schätzungsweise 15 Millionen zu berappen.

15 Millionen – ein Geschenk der Deutschen an ihre Banken. Wie dumm muss eigentlich sein, wer diesem Volk von Trotteln angehört, dem Volk der Dichter und der Denker. Es ist zum Kommunist werden – oder, besser, Banker. RAYK WIELAND