Zum Sündenbock auserkoren

Das Bremer Landgericht entscheidet heute über die Schuld Friedrich Hennemanns am Ende des Vulkan-Konzerns

BREMEN taz ■ Seit bald zwei Jahren sitzt der frühere Vulkan-Manager Friedrich Hennemann (64) auf der Anklagebank des Bremer Landgerichtes. Er ist sich keiner Schuld im strafrechtlichen Sinne bewusst. Da hat sich nichts geändert seit der Verlesung des Anklagevorwurfs, der Vulkan-Vorstand habe 854 Millionen Mark Subventionen für die Ost-Werften im Konzernverbund verwendet und damit eine „Vermögensbetreuungspflicht“ verletzt. Im Grunde ist auch nichts neu Belastendes hinzugekommen. Nur dass das Gericht dies nicht schon vor einem Jahr festgestellt und ihn freigesprochen hat, lässt Hennemann ein wenig zweifeln, dass es nun im zweiten Anlauf zu dem Freispruch kommen könnte.

Äußerlich kühl und emotionslos verfolgt er den Prozess. Jede Woche sitzt er dem Staatsanwalt gegenüber, der ihn im November nun schon zum zweiten Male - wenn auch nur für wenige Stunden - ins Gefängnis gebracht hat. Diesmal mit der Begründung, es bestehe Fluchtgefahr, Hennemann habe keinen festen Wohnsitz in Bremen. Das Landgericht hob den Haftbefehl noch am selben Tag auf. Für Hennemann geht es um seine Vergangenheit und um seine Ehre. „Pokerface“ nennt ihn ein alter politischer Bekannter, hanseatisch zurückhaltend, eine immer korrekte und stille Erscheinung. Die Verteidiger des Vulkan-Manager, die sich weniger Zurückhaltung auferlegen müssen, haben deutlich gemacht, wie wenig sie von der Sachkompetenz des Staatsanwaltes halten. Selbst der Anwalt der Treuhand-Gesellschaft, der Anfang der 90er Jahre die Verträge mit dem Vulkan-Konzern ausgehandelt hatte, bestätigte jüngst als Zeuge vor dem Landgericht, eine „Vermögensbetreuungspflicht“ sei nicht vereinbart worden: Niemand wollte damals die Ost-Werften, und die Treuhand wollte sie loswerden. Alle waren froh, dass Hennemann für ein paar Jahre die Existenz garantierte. Und hatte nicht Birgit Breuel, die damalige Treuhand-Chefin, persönlich dem Vulkan-Manager erlaubt, die Ost-Millionen ins „Cash-Management“ zu übernehmen? Wieso soll er, Hennemann, schuld sein, dass die Breuel sich so leicht um den Finger wickeln ließen?

Die Verantwortung für den späteren Zusammenbruch des Konzerns hat er stets zurückgewiesen. Intrigen der Bremer Politik und das Banken-Interesse an einer Bereinigung der deutschen Werftenlandschaft haben nach Hennemanns Überzeugung den Vulkan gekillt. Das hat ihn seiner sozialdemokratischen Basis wieder nahe gebracht. Nach seinem Sturz tauchte er auf einer Demonstration der Werftarbeiter auf, 1996 ließ er sich in Bremen-Vegesack von seiner SPD-Basis zum Delegierten wählen, um auf dem Landesparteitag als Interpret sozialdemokratischer Wirtschaftspolitik auftreten zu können. Der promovierte Volkswirt war ab Mitte der 70-er Jahre Senatsdirektor im Wirtschaftsressort in Bremen, 1987 übernahm er den Vorstandsvorsitz und damit die Aufgabe, von den Schiffbauarbeitsplätzen in Bremen zu retten, was zu retten war.

Aber um diese wirkliche Geschichte geht es nicht, wenn heute das Landgericht zusammentritt. Es geht um strafrechtliche Details. Das Gericht steht unter dem politischen Druck, einen „Schuldigen“ zu markieren. Wenn das Gericht diesem Druck nachgibt, wird Hennemann in die nächste Instanz ziehen. Irgendwo muss es Gerechtigkeit geben. KLAUS WOLSCHNER