Kein Ortega-Prozess

Nicaraguas Sandinistenchef muss sich nicht wegen sexuellen Missbrauchs verantworten – alles verjährt

SAN SALVADOR taz ■ Alles war nur Spektakel: In der vergangenen Woche hatte Sandinisten-Chef Daniel Ortega freiwillig auf seine parlamentarische Immunität verzichtet und so getan, als wolle er vor Gericht beweisen, dass seine Stieftochter Zoilamérica Narváez lügt. Seine Anwälte aber wussten, was die zuständige Richterin am Mittwoch verfügte: Das Verfahren wird eingestellt. Das angezeigte Delikt des sexuellen Missbrauchs ist nach nicaraguanischem Recht verjährt. Ortega muss also nicht vor Gericht.

Die heute 33-jährige Narváez, selbst Mitglied in der Sandinistischen Partei (FSLN), hatte 1998 öffentlich erklärt, der jetzt 56-jährige Ortega habe sie seit ihrem 11. Lebensjahr sexuell missbraucht. Seit sie 15 sei, habe er sie mehrfach vergewaltigt. Der Skandal wurde bei innerparteilichen Querelen oder vom politischen Gegner immer wieder aufgewärmt. Eine Strafanzeige gegen den Sandinistenchef aber blieb ohne Folgen, weil der als Parlamentsabgeordneter Immunität genießt.

Mitte November hatte Ortega die Präsidentschaftswahlen überraschend klar gegen den konservativen Enrique Bolaños verloren. Innerhalb der FSLN wird nunmehr ein Führungswechsel erwartet. Allerdings führt Ortega deren Parlamentsfraktion und zeigt keinerlei Anzeichen, innerparteiliche Macht abgeben zu wollen.

Ortega hat die Vorwürfe Narvaez’ immer abgestritten. Auch seine Lebensgefährtin Rosario Murillo, die leibliche Mutter von Narváez, stand stets auf der Seite des Mannes und verleumdete noch Anfang der Woche ihre Tochter als geistesgestört.

So wartete der Obersandinist ab, bis alles verjährt war, um dann in einem theatralischen Akt auf seine Immunität zu verzichten. Narváez hat angekündigt, den Einstellungsbeschluss anzufechten. TONI KEPPELER