Staatliche Schneckenpost

■ Bremer Finanzsenator will desolate Botendienste verändern. Urteil: „Zu langsam und zu teuer“. Seine Alternative überzeugt den Senat aber nicht

Der Senat wollte diese Woche eigentlich eine große Reform auf den Weg bringen: Die Neuordnung des „verwaltungsinternen Botendienstes“. Der Vorschlag, in monatelanger Arbeit einer Arbeitsgruppe unter Federführung des Finanzsenators entwickelt, wurde aber nicht beschlossen. Warum, das möchte der Sprecher des Finanzsenators nicht erklären. „Ich weiß nicht, ob ich Senatsvorlagen, die Sie sich illegal besorgt haben, kommentieren soll“, erklärte Finanz-Sprecher Dr. Stefan Luft auf die Nachfrage der taz. In der Senatsvorlage selbst steht tatsächlich , das Thema sei für Öffentlichkeitsarbeit „nicht geeignet“.

Wenn man das interne Papier liest, versteht man schnell, warum das so ist. „Seit Jahren“ gibt es Probleme, beginnt der Text, „zu langsam und zu teuer“ sei der interne Botendienst. Wenn interne Behördenpost nach Bremerhaven geschickt wird, dann ist sie „bis zu 11 Tage“ unterwegs, manchmal werden zwei Boten gleichzeitig nach Bremerhaven geschickt, weil verschiedene Behörden je ihren eigenen Boten haben.

Innerhalb des Bremer Stadtgebietes sind die „Laufzeiten“ der Boten bis zu vier Tage. Warum ist das „seit Jahren“ so? Klare Antwort: „Im dezentral gewachsenen Gesamtsystem der bremischen Verwaltung organisiert jede Dienststelle für ihre Bedürfnisse den Botendienst.“ Es gibt „keine Absprachen“, es erfolgen „sternförmig Parallelfahrten“ und „insgesamt acht Botendienste fahren täglich in den Bezirk Bremen-Nord“. Diese Zustände, die „seit Jahren“ auch bekannt sind, sollten also jetzt geändert werden. Denn das könnte Einsparpotentiale ergeben.

Was kosten die Botendienste insgesamt? Niemand im Finanzsressort weiß das so genau. Eine seriöse Kostenerfassung, die den Vergleich mit privaten Angeboten erlauben würde, gibt es nicht. Im Haushalt sind Kostenstellen für „Botendienste“ nicht ausgewiesen. Die verschiedenen Senatsressorts haben also nur „geschätzte Kosten“ gemeldet, notierte die Arbeitsgruppe, darin sind aber weder die Versorgungsbezüge der Beamten noch die Gemeinkosten oder auch nur die Sachkosten für die Kraftfahrzeuge enthalten.

Nach der vorläufigen geschätzten Übersicht des Finanzsenators werden derzeit 1,3 Millionen Mark für die Botendienste ausgegeben, die vorgeschlagene zentrale Organisation der Botendienste über den staatlichen Eigenbetrieb des Finanzsenators, „Performa Nord“, würde 1,5 Millionen Mark kosten. Wo da der Spareffekt liegt, konnte der Sprecher des Finanzsenators auch nicht erklären. Der Finanzsenator warnt dabei: „Die vollständige Realisierung der Einsparmöglichkeiten hängt aber auch davon ab, inwieweit von dieser Organisationsänderung betroffene Beschäftigte mit anderen Aufgaben betraut werden können oder frei werdende Stellen nicht wieder besetzt werden.“

Unterm Strich steht dennoch beim Finanzsenator eine Sparsumme: 1,4 Millionen Mark Postgebühren könnten eingespart werden. Allerdings nicht bei der eigenen Botenorganisation – sondern bei den Briefen, die auf dem normalen Postweg versendet werden. Der Grund: Seit dem 15.9.2000 gewährt die Deutsche Post AG für Großkunden unter bestimmten Bedingungen Rabatte bis zu 23 Prozent. Von den jährlichen bremischen Portoaufkommen von 8,2 Millionen Mark, so die Rechnung der internen Vorlage, könnte man 1,4 Millionen sparen. Diese Rechnung unterstellt, dass keiner der „Großkunden“ unter den bremischen Institutionen bisher den Großkunden-Rabatt nutzt, der seit einem Jahr in Anspruch genommen werden kann.

Wer das für unvorstellbar hält, der muss unterstellen, dass die Arbeitsgruppe unter Federführung des Finanzsenators die Einsparpotentiale im Postversand schöngerechnet hat.

Das Angebot der staatlichen „Performa Nord“ – der Firma des Finanzsenators – den staatlichen Botendienst zu übernehmen, fiel übrigens nicht preiswerter aus als die zugleich eingeholten Voranschläge privater Anbieter. Die Preisvorstellungen von „Performa Nord“ seien, verglichen mit anderen Angeboten, „durchaus angemessen“ ausgefallen, heißt es etwas verschroben im internen Bericht des Finanzsenators, „auch vor dem Hintergrund, dass der Eigenbetrieb inzwischen sein Angebot konkretisiert hat.“ Offenbar nach Eingang der privaten Angebote.

Klaus Wolschner