: „Otto“-Katalog für den Polizeistaat
betr.: „Etwas mehr Gelassenheit“ (Debatte), taz vom 11. 12. 01
Herr Rath hat meines Erachtens den Bezug zur Realität verloren: Ausreiseverbote für Demonstranten nach Genua, nach Brüssel etc. Einschränkungen der Freizügigkeit mit täglichen Meldepflichten in nicht gekannter Qualität, Abhörzahlen in der Telekommunikation, bei denen andere Länder nur staunen, Ingewahrsamnahmen in hundertfacher Größenordnung wie bei den Castor-Transporten (siehe auch Unbequem Nr. 46 und 47 oder www.kritische-polizisten.de) und so weiter, aber Herr Rath fordert zu mehr Gelassenheit auf.
Die Veränderungen bei der Zusammenarbeit zwischen Staatsschutzdienststellen und Nachrichtendiensten läuft seit Kanther legalisiert. Sie findet auch zwischen anderen Dienststellen statt.
Und so könnte man weitere Bereiche durchgehen, die für Außenstehende vielleicht schwerer zu erschließen sind als für uns Polizeipraktiker. Das Problem bleibt, dass die meisten PolizeibeamtInnen einfach zu schlecht ausgebildet sind, als dass sie vorhandene Instrumente effizient bedienen könnten. Und deshalb werden weitere Instrumente geschaffen? Werden weitere Bürgerrechte abgebaut, GG-Artikel eingeschränkt und Eingriffsermächtigungen für die Polizeien und Dienste geschaffen?
Inzwischen sind so viele Instrumente geschaffen, dass bei Regierungsübernahme von anderen als sozial-liberalen Köpfen nahezu alles vorhanden ist, was ein polizeistaatliches Herz begehrt.
Ein neuer Faschismus kommt schleichend, wie auf Samtpfoten, daher. Beim 2. Otto-Katalog sind es keine Samtpfoten und es ist auch kein schleichender Bewegungsablauf mehr. Aber bleiben Sie bei alledem schön gelassen, Herr Rath. THOMAS WÜPPESAHL,Bundessprecher der BundesarbeitsgemeinschaftKritischer Polizistinnen und Polizisten
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