„Freut euch, dass die Sonne scheint“

Kanzler Schröder, Parlamentspräsident Thierse und der designierte Berliner Senator Gysi nehmen an der Beerdigung des jüdischen Schriftstellers und Politikers Stefan Heym teil. Erinnert wird vor allem an die Eröffnungsrede des Bundestags 1994

aus Berlin NICK REIMER

Das hätte ihm gefallen: Ein Bundeskanzler, ein Parlamentspräsident und hunderte Leser lauschen der Grabrede, die ein designierter PDS-Senator am Sarge Stefan Heyms hält. In der erinnerte Gregor Gysi gestern natürlich an jene Rede Heyms, mit der er 1994 als Alterspräsident den 13. Deutschen Bundestag eröffnete.

„Den Knilchen zeigen“ wollte es Heym damals. Der Beifall war spärlich, auf der Unionsbank rührte außer Rita Süssmuth niemand eine Hand. Stoisch verweigerten die Christlichen und die Liberalen dem Unangepassten jeglichen Respekt. Dieses demonstrative Abweisen war eine der beschämendsten Szenen in der Geschichte des Deutschen Bundestags. Gestern ist der „Kreuzfahrer von heute“ am Ende seiner Reise angekommen.

Gefallen hätte Heym auch, dass die komplette Führungsriege der atheistischen PDS seinen letzten Gang begleitet. Auf dem jüdischen Friedhof in Berlin-Weißensee wurde der Sozialist Heym beigesetzt – in Nachbarschaft zum Journalisten Theodor Wolff, dem Industriellen Emil Rathenau und den Verlegern Samuel Fischer und Rudolf Mosse.

Nicht gefreut hätte Heym dagegen die Diskussion in den deutschen Feuilletons, die nach seinem Tode aufflammte: War er nun ein großer deutscher Schriftsteller? Oder war er nur ein großer ostdeutscher Schriftsteller? Fest steht, dass der Jude Heym die meisten seiner Bücher zuerst auf Englisch schrieb, dass sich sein Weltruhm in Amerika begründete, dass er der meistgelesene Autor im Deutschen Osten, der meistgelesene Autor aus dem deutschen Osten in Westdeutschland war. Und dass ihn die dortigen Feuilletons liebten – zumindest bis 1989. Danach gingen sie mit dem streitbaren Alten oft hart ins Gericht.

Nicht gefreut hätte Heym auch das Polizeiaufgebot – von den Agenturen als „stark“ bezeichnet –, das seine Beerdigung zu schützen hatte. Es mag ja sein, dass dieses Aufgebot Bundeskanzler Schröder und nicht Heyms Angst – vor der rechten Gefahr – galt. Deutschland werde eine sozialistische oder gar keine Zukunft haben, hatte er Anfang der 90er-Jahre in einem Interview erklärt. Wenn man den Menschen „keine linke Lösung anbietet, werden sie nach rechts gehen und wieder dem Faschismus folgen“. Im erstarkenden Rechtsextremismus sah Heym diese These bestätigt, was ihn einerseits – eitel, wie er war – freute, andererseits ängstigte; bis zuletzt. Noch im letzten Jahr forderte er, Auftritte der Rechtsextremen in der Öffentlichkeit „polizeilich zu unterdrücken, mit diktatorischen Mitteln“. Wer die Freiheit verteidigen wolle, dürfe den Gegnern der Freiheit keine Freiheit geben.

Nein, Mitglied der Gemeinde sei er nicht gewesen, sagte der Rabbiner Chaim Z. Rozwaski bei der Zeremonie nach jüdischer Liturgie. „In der Tiefe seiner Seele aber war er ein Jude. Ein Jude, der im Land unserer Väter gestorben ist.“ Am vergangenen Sonntag war Heym in Israel während einer Tagung zu Heinrich Heine an einem Herzanfall gestorben.

Zum Schluss der Trauerzeremonie verlas sein Sohn das, was Heym als letzten Gruß aufgeschrieben hatte: „Der Tod ist nichts gar so Schreckliches am Ende eines langen Lebens voller Liebe, Arbeit und Kämpfen. Trauert darum nicht, freut euch, dass die Sonne scheint.“ Gelegentlich, so wünsche er, solle man seiner gedenken – „in Freundlichkeit“.