Romeo und zehn schnelle Bier

■ Stille Nacht, heilige Nacht? Von wegen. Achtung Kultour: der taz-Kulturkalender für die Festtage und die toten Tage zwischen den Tagen – vom Fliegenden Holländer bis zur Disco „Hit me with your Rhythmstick“

Stille Nacht? Von wegen! Am Weihnachtsabend lässt sich in der Hansestadt feste das Fest feiern. Schoko-Kalorien verbrennen ist angesagt, twist & shout bis tief in die Nacht. Zunächst im Blues Club Meisenfrei. Bremens ungekrönte Blues- und Rockband Nr. 1, die Herrencombo mit dem genialen Titel „Ten Beers Faster“, rocken um den Weihnachtsbaum.

„Jazzy X-Mas“ dagegen erwartet Teens und Twens in der Lila Eule, wo man zu Motown, Nujazz, Drum'n'Bass und so genannten Rare Grooves heiße Luft produzieren kann. Wer doch lieber passiv konsumiert und sich gegen Mitternacht noch raus nach Worpswede traut, wird in den Genuss von gregorianischen Chorälen der Extraklasse kommen: „Arte Corales“ Sängerknaben testen die Akustik der Music Hall aus.

Dienstag, wenn die Weihnachtsgans noch im Magen gärt, sollte der Kulturabend vielleicht etwas ruhiger angegangen werden. Geboten wird hochkulturelle Entspannung: Neben der „Zauberflöte“ und dem weisen Nathan im Goethetheater findet am Dienstag in der Glocke die Johann-Strauß-Gala mit dem Prague Festival Orchestra und dem Johann Strauß Ballet Brünn statt. Tradition zur Weihnachtszeit hat die Opernpremiere am Stadttheater Bremerhaven.

In diesem Jahr gibt es Wagners „Fliegenden Holländer“, jenen tragischen Kapitän, der dazu verdammt ist, mit seinem Geisterschiff so lange über die Weltmeere zu segeln, bis ihm eine Jungfrau endlose Treue schwört. Kay Kuntze, Jungregisseur aus Berlin, versucht, der ohnehin stürmischen Stimmung der Oper zusätzlichen Frischwind einzublasen.

Das Fest der Liebe ist für Singles nicht unbedingt ein Spass und deswegen gibt's am Mittwoch eine exquisite Veranstaltung im CineStar Christallpalast: Die ultimative SMS-Chart-Flirt-Line-Party. Vielleicht findet sich dort ja auch die frisch gekürte „Miss Oldenburg-Land“ ein, die am selben Abend in der Fun Factory Wildeshausen gewählt wird. Im Stadttheater Oldenburg dagegen präsentiert sich endlich mal ein Pärchen, das mit „bis dass der Tod euch scheidet“ ernst macht. „Romeo und Julia“ der Berliner Tanzkompanie MS Schrittmacher tanzen sich träumerisch und tragisch in Richtung „Letzter Akt“.

Bei so viel Liebesmüh' nicht zu vergessen: Weihnachten ist ein Familienfest und deshalb noch ein Familien-Tip: In der Hochschule für Nautik und Wirtschaft findet mit „Der Stern von Bethlehem“ eine Art verspätetes „Wir warten aufs Christkind“ statt.

Donnerstag. Weihnachten macht sich nur noch in Form von Nachwehen bemerkbar, so etwa am Donnerstag im St. Petri Dom, wo Organist Wolfgang Baumgartz weihnachtliche Orgelmusik erklingen lässt. Das „Inflagranti Impro-Match“ im Scenario verspricht spannenden Improvisationstheater-Wettstreit, dazu kann man bei der Kekstauschbörse um übrig gebliebene Weihnachtsplätzchen feilschen.

Und dann, das nächste Fest: Silvester. Tchaikowsky steht in Großbuchstaben auf den Notenblättern der Staatlichen Philharmonie Moldawien, die zum Silvesterkonzert in der Glocke Station macht. Unausweichlich, auch dieses Jahr: „Dinner for one“, in der Neuen Welt auf Großleinwand.

Anschließend steigt die große Silvesterparty: Wem der Jahresausklang im Marriot oder Parkhotel mit 215,14 Mark bzw. 254,26 Mark ein wenig zu saftig ist, kann im Jungen Theater feiern. Mark Scheibe, Nomena Struß und der „Mr. Late-Night“ Dennis Fischer liefern sich einen musikalisch-theatralen Wettstreit, bereiten bizarre Überraschungen, verbreiten kunstvolle Einsichten und letzte Wahrheiten des Jahres. Dazu gibt's Buffet, Mitternachtssektchen und mit „Hit me with your Rhythmstick“ die ultimative „Disco Danach“.

Wer für lau durch die Nacht der Nächte kommen will, eines bombastischen Starts inklusive, dem sei abschließend ein traditioneller Silvestertip mit auf den Weg gegeben: Nicht nur auf dem Marktplatz, auch am „Eck“ treffen sich alljährlich kurz vor Mitternacht Polizei, Knallkörperfetischisten und sonstiges Bremer Volk zum furiosen Jahresausklang. Ohrenstöpsel sollten nicht fehlen. Assoziationen werden nicht ausbleiben. So erinnert man sich zwischen Ordnungshütern und springenden Scheiben schnell an das, was das vergangene Jahr so traurig gemacht hat. Und auch das Kommende weiter bestimmen wird. Roland Rödermund