Qual der Wahl im Hungerland

Nach zehn Jahren hat Sambias Präsident Chiluba abgewirtschaftet, das Land steckt in der Dauerkrise. Aber bei den Wahlen am Donnerstag ist kein fähiger Nachfolger in Sicht

BERLIN taz ■ Ginge es nach objektiven Kriterien, müsste Sambias Regierungspartei MMD (Bewegung für Mehrparteiendemokratie) die Präsidentschaftswahlen am 27. Dezember klar verlieren. Nie war Sambias Wirtschaftslage so schlecht wie heute. 80 Prozent der zehn Millionen Einwohner leben unter der Armutsgrenze von einem US-Dollar pro Tag. 42 Prozent der Kinder sind unterernährt. Die Regierung, abhängig vom Wohlwollen fremder Geldgeber, gibt mehr für den Schuldendienst aus als für Bildung und Gesundheit zusammen. Dieses Jahr sank die Maisernte um 30 Prozent, und ein Fünftel der Bevölkerung ist auf Nahrungsmittelspenden angewiesen.

Aber Sambias Politik ist komplexer als das. Vor zehn Jahren galt Frederic Chiluba als demokratischer Hoffnungsträger Afrikas. Seine aus den Gewerkschaften hervorgegangene MMD fegte 1991 triumphal die Einparteiendiktatur des seit der Unabhängigkeit 1964 regierenden Kenneth Kaunda hinweg. So sind sämtliche wichtigen politischen Kräfte des Landes – mit Ausnahme von Kaundas noch immer diskreditierter einstiger Staatspartei UNIP (Vereinigte Nationale Unabhängigkeitspartei) – mit der MMD verbandelt und daher mit Chilubas Misswirtschaft.

Symptomatisch dafür ist, dass die wichtigsten Kandidaten bei diesen Wahlen Chilubas drei bisherige Vizepräsidenten sind. Levy Mwanawasa (1991–94) tritt für die MMD an, Godfrey Miyanda (1994–97) für die religiöse „Heritage Party“ und Christon Tembo (1997–2001) für das „Forum für Demokratie und Entwicklung“ (FDD), größte Sammlung von MMD-Dissidenten.

Der MMD-Kandidat hatte paradoxerweise mit Chilubas Regierung weniger zu tun als sein Hauptgegner Tembo. Mwanawasa erlitt 1992 bei einem Autounfall Gehirnschäden und verschwand in der politischen Versenkung, während Tembo als Vizepräsident erst im Mai 2001 zurücktrat – aus Protest gegen Chilubas damalige Pläne, für eine dritte Amtszeit zu kandidieren.

Ein Mann des Wandels ist der 57-jährige zuckerkranke Tembo nicht, und seine lange Mitregierungszeit wirft einen Schatten auf die Versuche der FDD, Chiluba mit Simbabwes Robert Mugabe gleichzusetzen und die FDD mit einer sauberen, dynamischen Opposition. Dabei wäre das einfach: Politische Attentate und Diebstahl von Staatsgeldern charakterisieren Chilubas letzte Jahre, und der Präsident hielt bei der Auftaktveranstaltung zum MMD-Wahkampf eine ausländerfeindliche Hetzrede.

Doch auch Mwanawasa ist ein denkbar ungeeigneter Kandidat. Der 53-jährige bibeltreue Christ und Rechtsanwalt gilt als integer, aber ideenlos, und Kritiker sehen seinen Wiederaufstieg aus dem Ruhestand als Beweis dafür, dass sich alle fähigen Politiker von Chiluba abgewandt haben. Seit seinem Autounfall stottert er, aber seine Wahlkampfmanager schützen ihn nicht gegen üblen Spott. Von der Opposition beharrlich cabbage (Kohlkopf) genannt, konterte Mwanawasa letzte Woche im Fernsehen verzweifelt, er sei in Wirklichkeit ein Stück Steak.

So ist der Ausgang der sambischen Wahl so offen wie selten in Afrika. Die Wähler werden sich am Donnerstag vor allem fragen, ob sich das Wählen überhaupt lohnt. Die Regierung hat es ihnen denkbar schwer gemacht, indem sie den Wahltag mitten in die Regenzeit setzte, in der die meisten Straßen unpassierbar sind. Von den 4,5 Millionen Sambiern im wahlberechtigten Alter sind ohnehin nur 2.515.000 als Wähler registriert, und die Opposition behauptet, MMD-Aktivisten kauften den Bürgern in großem Stil Wahlkarten ab, um damit Flüchtlinge aus Angola und Kongo zu beglücken.

DOMINIC JOHNSON