Auch eine Art Umweltschutz

Mit der Verurteilung des Journalisten Grigori Pasko macht die Militärgerichtsbarkeit klar, wer das Sagen hat – und wie beliebig Medienfreiheit in Russland auch weiterhin definiert werden kann

aus Moskau KLAUS-HELGE DONATH

Ein Militärgericht in Wladiwostok hat am Dienstag den Journalisten Grigori Pasko zu vier Jahren Gefängnis wegen Landesverrats verurteilt. Überdies wurde dem 39-jährigen Flottenkapitän sein militärischer Rang aberkannt. Das Urteil löste bei Journalisten und Menschenrechtsorganisationen Bestürzung aus, da es zeigt, welchen Gefahren Journalisten in Russland immer noch ausgesetzt sind, die in die Maschinerie von Militär und Geheimdienst geraten.

Nur in einem einzigen der zehn Anklagepunkte in Sachen Geheimnisverrat sprach das Gericht den langjährigen Armeejournalisten der Zeitung der Pazifikflotte Bojewaja Wachta am Ende schuldig. Das aus drei Richtern bestehende Militärtribunal begründete überdies das niedrige Strafmaß mit dem geringen Schaden, den der Verurteilte verursacht habe. Sein Verhalten habe die nationale Sicherheit nicht direkt bedroht. Daher würden auch die bereits in Untersuchungshaft verbüßten zwanzig Monate auf die Haftzeit angerechnet.

Paskos Anwälte und Prozessbeobachter vermuten indes, dass die Justiz durch das geringe Strafmaß noch größere Proteste verhindern will. Auch die Verteidigung bestreitet nicht, dass Pasko durch seine Arbeit als Armeejournalist Zugang zu geheimem Material hatte. Pasko habe aber nie Geheimnisse an ausländische Journalisten geleitet. So verurteilte das Gericht Pasko auch nicht wegen Weitergabe, sondern aufgrund der Sammlung und Zusammenstellung „qualifizierten Materials“ mit der Absicht, dieses weiterzuleiten. Doch auch das konnte das Gericht nicht klar beweisen. So bedeutet dieser Richterspruch: Wer fragwürdigen Machenschaften der Militärs nachgeht und Umweltsünden aufdeckt, macht sich in Russland mittlerweile wieder strafbar. Auf Rechtsschutz kann er sich nicht berufen. Den Gipfel des Abstrusen lieferte das Gericht, das sich in der Anklage auf Gesetze berief, die ihrerseits einer Geheimhaltung unterliegen . . .

Der Fall Pasko beschäftigt die russische Öffentlichkeit bereits seit 1997, als Pasko nach einer Japanreise erstmals festgenommen wurde. Damals hatte der Umweltschüzer dem größten japanischen Fernsehsender NHK Filmmaterial geliefert, das die russische Pazifikflotte beim Verklappen radioaktiven Abfalls im Japanischen Meer zeigte. Der Geheimdienst qualifizierte die Aufnahmen damals als geheim, obwohl russische Lokalsender die gleichen Aufnahmen bereits ausgestrahlt hatten. Schützenhilfe für die Behörden kam ausgerechnet aus Japan: Anstatt Pasko durch eine eidesstattliche Aussage zu entlasten, distanzierte sich NHK von seinem Informanten.

1999 wurde Pasko zum ersten Mal von einem Militärgericht verurteilt, allerdings nicht wegen Hochverrats. Stattdessen gab es eine Strafe wegen „unmilitärischen Verhaltens“. Die 20 Monate Untersuchungshaft wurden angerechnet, der Flottenkapitän wurde amnestiert. Pasko weigerte sich aber, diesen Freispruch dritter Klasse anzuerkennen und ging in die Berufung.

Und auch der Geheimdienst wollte sich mit dem banalen Urteil nicht abfinden und beantragte vor einem Jahr beim Obersten Militärgericht, den Fall unter dem Verdacht des Landesverrates neu aufzurollen. Die Strategie ging auf: Das jetzige Urteil kommt den Vorstellungen der Sicherheitsorgane schon sichtlich entgegen.

Weder Verteidigung noch Prozessbeobachter hatten damit gerechnet. „Wir hatten alle einen Freispruch erwartet und geglaubt, man werde sich bei ihm sogar entschuldigen“, meinte Anatoli Pristawkin, der Vorsitzende der kürzlich aufgelösten Begnadigungskommission beim russischen Präsidenten.

Selbst Sergej Mironow, Vorsitzender des Oberhauses der Duma und enger Vertrauter von Präsident Wladimir Putin, hatte sich letzte Woche noch über die Absurdität des Verfahrens ausgelassen: „Die Weltöffentlichkeit hat sich längst ein Bild davon gemacht, wer hier Schuld und wer Recht hat“, so Mironow. Mehr noch: Er halte es für unsinnig, dass Pasko in einer „Hölle von Berufungsverfahren“ seine Unschuld beweisen muss. Inwieweit Mironow damit die Meinung des Präsidenten zum Ausdruck brachte, bleibt offen. Trotz der formalen Unabhängigkeit der Gerichte hätte ein Wink des Kremlchefs sicherlich ausgereicht, um den Geheimdienst und das Militärgericht zurückzupfeifen. Es wäre im Sinne des Angeklagten gewesen – und auch im Interesse Russlands.