NAHOST: NEUESTER FRIEDENSPLAN VERDIENT DIESEN NAMEN NICHT
: Relevanz des Irrelevanten

Israelische Soldaten hielten den ganzen 24. Dezember lang Ausschau nach einem eventuell als Frau verkleideten Jassir Arafat auf dem Weg nach Bethlehem. Es war vergeblich: Der Palästinenserführer blieb in Ramallah und genoss seine ungewohnte weltweite Popularität und Relevanz. Denn so infantil, bösartig und dumm die Entscheidung von Ministerpräsident Scharon und seiner rechten Minister war, den Palästinenserchef am Besuch der Weihnachtsstadt zu hindern – so hat sie doch seine Irrelevanz-Deklarierung ad absurdum geführt. Arafats leerer Stuhl mit dem Palästinensertuch bei der Mitternachtsmesse wurde weltweit zum Symbol der palästinensischen Misere. Auch vielen Israelis war es peinlich, dass ihr Ministerpräsident offenbar noch davon besessen ist, alte Rechnungen mit Arafat aus Beirut 1982 zu begleichen.

Gleichzeitig wurde Scharon innerhalb eines Tages als Lügner entlarvt. Am Sonntag noch hatte er einen Friedensplan seines Außenministers Peres verdammt und behauptet, er habe erst durch die Veröffentlichung in der Tageszeitung Jedioth Acharonoth davon erfahren – offensichtlich fürchtete der Premier die Reaktion seiner ultrarechten Koalitionspartner. Am Montag dann, als wiederum die wütende Arbeitspartei die Koalition zu verlassen drohte, musste Scharon gestehen, sowohl über den Friedensplan als auch über geheime Verhandlungen zwischen Peres und den Palästinensern informiert gewesen zu sein.

Dabei verdient der „Friedensplan“ kaum diesen Namen. Auch ist er bisher nicht unterschrieben – und auf dem Weg dahin dürften unzählige Stolpersteine liegen. Dazu gehört nicht nur, trotz der momentanen Ruhe, dass ein neuer Terroranschlag und israelische Vergeltungsaktionen jederzeit möglich sind. Zudem besitzt Scharon im Zentralkomitee seiner Likudpartei die Mehrheit, um den Friedensplan von Peres zu torpedieren und gegen die Ausrufung eines Palästinenserstaates zu stimmen. Scharon selbst hatte zwar vor zwei Monaten unter US-Druck das verlockende Versprechen eines Palästinenserstaates abgegeben. Doch mittlerweile müssten Peres und seine Arbeitspartei verstanden haben, dass Scharon jeden politischen Fortschritt zu verhindern weiß. ANNE PONGER