Tauziehen um Einmischung der USA

Indien und Pakistan hoffen, dass die US-Regierung jeweils in ihrem Sinne sich beim verfeindeten Nachbarn zugunsten der eigenen Position im Kaschmirkonflikt einsetzt. Dabei berufen sich beide auf die geänderte Lage nach dem 11. September

von SVEN HANSEN

Mit den wachsenden Spannungen zwischen Indien und Pakistan haben die verfeindeten Nachbarn indirekt den USA eine Schlüsselrolle zur Konfliktregelung in ihrem jeweiligen Sinn übertragen. Denn beide Staaten hoffen jetzt, dass Washington Druck auf den Nachbarn ausübt. Beide Seiten gehen davon aus, dass den USA nach nach dem 11. September keine andere Wahl bleibt, als sich für das jeweils eigene Anliegen einzusetzen.

Pakistan hat rund 60.000 Soldaten an seiner Grenze zu Afghanistan stationiert. Sie sollen dort das Eindringen von Al-Qaida-Kämpfern oder gar eine Flucht Ussama Bin Ladens (so er denn noch lebt) aus Afghanistan verhindern. Islamabad geht davon aus, dass Washington während seines Anti-Terror-Kriegs in Afghanistan alles unternehmen wird, um einen Krieg zwischen Pakistan und Indien zu verhindern. Denn Pakistan kommt im Kampf der USA gegen al-Qaida und die Taliban eine Schlüsselrolle zu. Zudem müsste Pakistan im Falle eines Krieges mit Indien seine Truppen von der West- an die Ostgrenze verlagern, was nicht im Interesse der USA sein kann. Denn dies könnte Bin Laden und seinen Leuten die Flucht nach Pakistan ermöglichen.

Die Regierung in Islamabad hofft, dass die USA Druck auf Indien ausüben, um es von einem Angriff auf Pakistan abzuhalten und es an sein Kaschmir gegebenes Versprechen einer Volksabstimmung über die nationale Zugehörigkeit dieser überwiegend muslimischen Region erinnern. Pakistan wollte den Kaschmirkonflikt schon immer internationalisieren und hofft jetzt, die USA hineinziehen zu können.

Die Regierung in Delhi hingegen betrachtet Pakistan als größten Sponsor des Terrorismus auf indischem Boden und reklamiert für sich nach dem 11. September das gleiche Recht, die Basen der Terroristen militärisch anzugreifen, wie die USA es in Afghanistan machen. Da dies im Falle Pakistans jedoch wegen der Atomwaffen mit unkalkulierbaren Risiken verbunden wäre und auch sonst nicht sehr erfolgversprechend ist, ist diplomatischer Druck der USA auf Islamabad eine Alternative. Denn da die USA schon wegen des Afghanistankriegs kein Interesse an einem indisch-pakistanischen Krieg haben können, erwartet Delhi, dass die USA in Islamabad vorstellig werden, damit Pakistans Regierung endlich gegen die terroristischen Separatisten auf seinem Gebiet vorgeht. Würden die USA diesen Druck auf Islamabad nicht ausüben, würden sie aus indischer Sicht bei der Terrorbekämpfung mit zweierlei Maß messen und unglaubwürdig werden.

Delhi hat sich zwar bisher immer gegen eine internationale Einmischung in den Kaschmirkonflikt verwahrt, doch jetzt lässt sich der Druck der USA auf Pakistan als Fortsetzung des Anti-Terror-Kriegs rechtfertigen. Eine Vermittlung der USA dürfte Delhi weiter ablehnen, wie es sich auch bereits gegen Aufrufe zur Mäßigung gewandt hat. Ironischerweise kann genau die Washington von beiden Seiten zugeschriebene Schlüsselrolle dazu führen, dass Indien und Pakistan weiter kräftig mit dem Säbel rasseln, um endlich die USA zum Handeln in ihrem jeweiligen Sinn zu zwingen.

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