„Verbündete im Streit mit Indien“

Prof. Yan Xuetong, Direktor des Instituts für internationale Beziehungen an der Tsinghua-Universitätin Peking, über den beiderseitigen Nutzen der strategischen Partnerschaft zwischen China und Pakistan

taz: China und Pakistan betrachten sich als strategische Partner. Seit wann ist das Verhältnis so gut?

Prof. Yan Xuetong: Seit Anfang der 70er-Jahre, als General Yahya Khan an der Macht war und bei der ersten Kontaktaufnahme zwischen den USA und China nach dem Zweiten Weltkrieg als Mittelsmann fungierte. Danach sind unsere Beziehungen wirklich stabil geworden. Aber schon seit Ende des Krieges zwischen Indien und China im Jahr 1962 hat sich das Verhältnis langsam verbessert.

In Pakistan hat das politische System oft gewechselt. Warum hatte das kaum Einfluss auf die Beziehungen?

Weil China stets den UN-Vorschlag zur Lösung des Kaschmirproblems unterstützt hat, der Pakistan begünstigt. Alles entscheidet sich am Verhältnis zu Indien: Schon seit seiner Staatsgründung lebt Pakistan in Feindseligkeit mit Neu-Delhi. Aber auch China und Indien haben sich bis auf eine kurze Phase der Annäherung zwischen Mao und Nehru in den 50er-Jahren immer als Rivalen betrachtet. Das Gerangel um die Führung in der Dritten Welt und die Verschlechterung unserer Beziehungen zur Sowjetunion führten Anfang der 60er-Jahre sogar zum Krieg. Seither gibt es kein Grenzabkommen zwischen Indien und China, und beiden Seiten fehlt das politische Vertrauen ineinander. Nach Indiens erstem Atombombentest im Jahr 1998 bezeichnete Verteidigungsminister George Fernandes China als „Feind“. So sind sich China und Pakistan gegenseitig die zuverlässigsten Verbündeten in ihrem jeweiligen Streit mit Indien.

China unterstützt den Bau eines großen Hafens in Südpakistan. Spielen auch strategisch-wirtschaftliche Interessen eine Rolle?

China hat keine Marine, die sie in Pakistan positionieren könnte. Auch importieren wir kein Öl aus Pakistan. Wenn Sie von wirtschaftlichen Interessen sprechen, so ist das wie mit den deutschen Firmen, die in Shanghai den Transrapid baut. Nur weil Deutschland jetzt diese Zugstrecke baut, hat Ihr Land noch lange keine militärischen Interessen in China.

In welchem Umfang liefert Peking sensible Raketen- und andere militärische Technik an Islamabad?

Die Waffenverkäufe von China an Pakistan sind, soweit ich sie kenne, legal. Diese Waffenverkäufe geschahen zum großen Teil, bevor China im Jahr 1993 dem Missile Technology Control Regime (MTCR) beitrat. Zudem haben wir damals nur der ursprünglichen MTCR-Vereinbarung von 1991 zugestimmt, nicht der von den USA überarbeiteten Fassung von 1993, welche zusätzlich das Gewicht der legal verkaufbaren Raketensprengköpfe limitierte. Diese Fassung tragen wir erst seit letztem Jahr mit. Dabei versteht sich von selbst, dass China ein allgemeines Interesse an Waffenverkäufen hat. Wir wollen unseren Marktanteil wie alle anderen Länder auch. Und wir wollen Pakistan bei der Modernisierung des Militärs helfen. Allein hat das Land nicht die Kapazitäten dazu.

Kann Pakistans neue Allianz mit den USA die Beziehungen zu China gefährden?

Unsere Beziehungen beruhen nicht auf Sympathie, sondern auf Interessen. Erstens haben wir beide Probleme mit Indien. Zweitens braucht Pakistan unsere Wirtschaftshilfe. Pakistan ist der zweitgrößte Entwicklungshilfeempfänger Chinas. Drittens ist der westliche Teil Chinas hauptsächlich mit Angehörigen unserer muslimischen Minderheit bevölkert. Damit muslimische Länder wie Pakistan nicht separatistische Bewegungen auf chinesischem Boden unterstützen, sind gute Beziehungen zu ihnen für uns sehr wichtig.

INTERVIEW: GEORG BLUME