Mit Pfeilen um den Globus

■ Ein Bremer Kraftwerker spielt Dart gegen die Besten der Welt. Anfang Januar geht's in London um ein Preisgeld von 600.000 Mark, aber Andree Welge hat die Ruhe weg

„Dartspielen ist wie Fahrradfahren: wer's einmal raushat, verlernt es nie,“ sagt Andree Welge. Anfang Januar fährt der 29-jährige Bremer nach London zu den Embassy World Pro Masters und tritt dort gegen die 32 besten Dartspieler der Welt an. Besonders hart will er dafür nicht trainieren. „Ich übe pro Tag ungefähr zehn Minuten“. Schwer zu glauben, dass er die Ruhe weg hat: Wer das Spiel gewinnt, kassiert 600.000 DM. Und die Chancen stehen nicht schlecht. Seit zehn Jahren spielt Welge in der Deutschen Nationalmannschaft Steeldart, war Deutscher Meister in Einzel-, Doppel-, Vierer- und Achterteam und hat zweimal Weltranglistenturniere gewonnen. Bei größeren Wettkämpfen, so Welge, kriege er oft weiche Knie und könne sich dann nicht mehr konzentrieren. Das größte Turnier der Welt, das „Dutch-Open“ in Holland, hat er vielleicht deshalb im Finale verloren.

Ohnehin halten sich Welges Profi-Ambitionen in Grenzen. Sein Geld verdient er täglich acht Stunden als Kraftwerker bei der SWB AG, das Spiel nach der Arbeit soll vor allem Spaß machen. Auf der Weltrangliste steht er trotzdem an 29-ster Stelle, in der deutschen Rangliste sogar auf Platz sechs. Nicht schlecht, wenn man bedenkt, dass Dart bei uns vor allem als netter Zeitvetreib für Abende im Irish Pub gilt. Nur wenige wissen, dass das traditionelle Steeldart mit Metallpfeilen auf die Zielscheibe gespielt wird. In deutschen Kneipen dagegen überwiegt Electronic Dart: Statt spitzer Metallstücke wird Plastik geworfen, die elektronische Zielscheibe zählt auch dann noch mit, wenn der Spieler nach dem zehnten Bier nur noch aus Zufall trifft. Etwa 10.000 Steeldarter gibt es in Deutschland, dazu Dartclubs und eine Nationalmannschaft. Ihre Siege und Erfolge interessieren die Wenigsten. „In Holland ist Dart viel beliebter, dort werden erfolgreiche Spieler wie Stars am Flughafen empfangen“, sagt Welge. Dort gebe es weit mehr Turniere, Zuschauer und Sponsoren für die Dartspieler.

In seine Ausrüstung muss er glücklicherweise nicht viel Geld investieren – Pfeile gibt es ab zehn, Zielscheiben ab zwanzig Mark. Während sich Kollegen schon mal ergonomisch geformte, handgefertige Spezialpfeile leisten, ist Welge seit 14 Jahren denselben 24 Gramm schweren Nickeldarts treu geblieben. Teurer sind die Reisen zu Dartturnieren rund um den Globus – in Holland, England, Südamerika und Malaysia hat Welge bereits gespielt. Da bisher noch kein Sponsor in Sicht ist (in Holland sponsort eine Zeitarbeitsfirma Dartspieler), muss er die Reisen und Gebühren selbst bezahlen. Gefragt, was er am Dart denn spannend findet, starrt Welge eine Weile Löcher in den Boden. „Wenn man einmal den richtigen Punkt auf der Scheibe getroffen hat, will man halt weitermachen“, sagt er dann. Das satte Geräusch, das entsteht, wenn der Pfeil sich ins Dartboard bohrt, gefällt ihm.

Theresa Bäuerlein