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Wenn Dummheit hupen könnte
: Autoerotik in der Winteridylle

Das Schönste am Schnee ist, dass man sogar mit schlimmem Kater rausgehen kann, wenn es frisch geschneit hat. Denn alles ist dann immer so wunderbar leise und gedämpft und sauber. Man summt „Snow is falling all around“, den Anfang von „Blank Expression“ von den Specials, die Autos kuscheln sich hintereinander wie verliebte Weinbergschnecken auf einer Schlitterkarawane zur Straßenkreuzung, die Luft könnte aus einem Heimatfilm stammen, wie von Rudolf Prack beim Jodeln ausgeatmet quasi, der Bus erschreckt einen noch mehr als sonst, weil er urplötzlich dicht neben einem laut ausatmet („pfffffffff“ – das ist dieses Bremsenlösen, wenn mich nicht alles täuscht), und wenn man möchte, kann man an den gelben Rinnsalen sehen, wo der dreckige Junkie-Hund aus dem Vorderhaus schon wieder überall hingepinkelt hat.

Meinen klitzekleinen, todschicken Sportwagen kann ich jedoch im lustigen Schneegestöber vor lauter Flocken nicht finden, weil er nämlich vom Reifen bis zum Deckel nur Nancy-Sinatra-stiefelhoch ist. So pieke ich vorsichtig mit einer Plastikpolizeikelle in alle Autos, bis ich endlich auf seinem Angeberdach lande. Leider hat mich kein Vollidiot aus Versehen freigekratzt, dem ich dann meine Merci schenken muss (ich würde eh nur Zartbitter, Nuss und Marzipan weggeben, die anderen mag ich). Aber die buckeligen Schneehügel drumherum, die auch noch keiner freigekratzt hat, klingen ebenfalls nach Metall. Verdammt. Man hat mich komplett zugeparkt. Da muss man, glaube ich, kurz mal hupen und dann direkt die Bullen anrufen, damit die den Einparker sofort wegschleppen.

Beim Warten auf die Polizei fällt mir ein, dass ich auch mal ein Auto eingeparkt habe, besser gesagt meine Freundin: „Ich gehe nur ganz kurz hoch und gebe etwas ab“, hatte sie behauptet und war flugs und hast-du-nicht-gesehen und postwendend aus meinem Sichtfeld verschwunden. Ohne Handy oder Adressenangabe. Nach drei Minuten kam ein Vokuhila-Schnäutzer mit schwarzweißer Tarnmusterjogginghose, Knastträne, Kampfköter und Blondine und setzte sich natürlich prompt in das Auto, das wir eingeparkt hatten.

Ich überlegte kurz, religiös zu werden, ging dann aber zitternd zu den beiden, die fragend aus ihrem Audi zu mir rüberstarrten, und flötete wie lügnerische Römer im Asterix-Band: „Also ... meine Freundin kommt gleich wieder! Ganz bestimmt! Geht ganz schnell!“

Der Schnäutzer trompetete freudig zurück: „Ey, dit is doch keeeeen Problem! Überhaupt jaaa nich! Ick hab Zeit!!!“ Er zwinkerte noch kurz, die Blondine lächelte mit braun umrahmten Lippen, und ich setzte mich schwer verwirrt wieder ins Auto und guckte nach Kurt Felix und Paola. Oder war das ein neues Methadon-Programm? Vielleicht ein neuer Zivi? Mit einer ebenfalls ganz prima getarnten Agentin? Sagenhaft.

Meine Freundin kam erst nach 20 Minuten wieder, in der Zeit hatten der Schnäutzer und ich uns noch ein paarmal lieb zugewunken, ich hatte mit zu Dackelfalten hoch gezogenen Augenbrauen entschuldigend auf meine Uhr geguckt und er stets breit lächelnd abgewunken. Ick warte jerne!

Aber der Mann ist, fürchte ich, eine Ausnahme. Normalerweise sind zugeparkte Leute so scheiße wie ich. Belegen erst die Notfallleitungen mit ihrem „Verkehrshindernis!“-Geschreie. Stehen dann mit trommelnden Fingern und einer Stirnwolke, in der kahlköpfige Hunnen „Wir haben euch was mitgebracht! Hass, Hass, Hass!“ skandieren, neben dem Auto. Und lassen hämisch abschleppen, bevor man „Winteridylle“ sagen kann. JENNI ZYLKA