Der Commander der Rundflüge

Der ehemalige Agrarflieger Frank Hellberg hat heute die Lufthoheit über der Spree. Er fliegt Touristen in Rosinenbombern und Staumelder in Cessnas über die Stadt. Seinem jüngsten Projekt – dem Passagierballon am Potsdamer Platz – droht nun die Luft auszugehen. Geheimnisverrat wird befürchtet

von HENNING KRAUDZUN

Wenn andere durch ihr Bürofenster das geparkte Auto fest im Blick haben, damit ihnen ja kein misslungenes Ausparkmanöver entgeht, kann Frank Hellberg von seinem Schreibtisch aus das eigene Flugzeug sehen. Nicht irgend einen kleinen Zweisitzer, sondern einen bulligen Rosinenbomber vom Typ DC-3. Genau genommen die Militärversion, eine C-47, Baujahr 1945. Selbst von den auf dem Rollfeld parkenden Propellermaschinen der verschiedensten Airlines setzt sich die dröhnende Luftbrückenlegende in imposanter Form ab. Doch der Betrieb auf dem Flugfeld scheint den großgewachsenen Piloten und Unternehmer kaum noch zu interessieren. „Dafür habe ich einfach keinen Blick mehr“, sagt Hellberg, der sich selbst „Commander“ nennt. Tempelhof sei nur noch Arbeitsstelle, mehr nicht. Den Kopf auf den Arm zu stützen und mit glänzenden Augen die startenden Flieger zu beobachten – die Zeiten sind vorbei, vor allem wenn man jene Maschine in Sichtweite selber steuern kann.

Aufgeregt sind andere, wenn sie das altgediente Transportflugzeug besteigen. Vom Kapitän höchstpersönlich begrüßt, von einer Stewardess umsorgt, geht es für 45 Minuten in die Lüfte zu einem Rundflug über Berlin. Für viele sei ja selbst schon das Anlassen der Propeller ein großes Highlight, sagt Hellberg und grinst. „Es ist ja auch ein satter Sound.“ Fast zwei Jahre hat er weltweit nach einer funktionierenden Maschine gesucht, dann wurde er in England fündig. „Den Rosinenbomber haben wir von der Air Atlantique abgestaubt, ein Glücksgriff“, sagt der Commander. Heute steuern den Koloss zwei erfahrene Flugkapitäne, die er fest eingestellt hat.

Jagd auf Kartoffelkäfer

Dabei müssen die nicht nur ihren Cockpitdienst verrichten, sondern gleichzeitig den Reiseleiter spielen, technische Dinge bis ins Detail erklären, ihre Fluggäste beruhigen, immer den passenden Witz erzählen. Ein Allroundjob, der manchmal mehr Nerven kostet als im Pauschalflieger Richtung Costa del Sol.

Viele Erwachsene seien aufgeregt wie kleine Kinder, so Hellberg. In der brummenden DC-3 rutschen sie auf ihren Sitzen hin und her, warten dennoch diszipliniert bis zum Start, um dann gleich nach dem Abheben neugierig das Flugzeug zu erkunden.

Zumeist seien die Passagiere mit einem Gutschein zum Geburtstag beschenkt worden, sagt Hellberg. Und vor jedem Start winke die ganze Familie von der Lounge aus. Die Auserwählten auf der Runway winken ihnen dann stolz wie hohe Staatsgäste zurück.

Für Frank Hellberg erfüllte sich ein Traum, als er zum ersten Mal im Cockpit saß. Der „Interflug“-Pilot steuerte in den letzten Jahren der DDR noch einen Agrarflieger und musste „Kartoffelkäfer beschießen“. Nach zweijähriger Ausbildung konnte er mit seinem Flugzeug die Felder düngen. Für ihn war das die einzige Chance, ohne Kontakte oder Uniform eine Maschine fliegen zu können. „Was zuerst noch unglaublich schön war, wurde aber bald zum normalen Handling.“, sagt er zurückblickend.

Nach 1990 allerdings schien diese Flugerfahrung nichts mehr wert zu sein. Hellberg musste sich umorientieren und drängte gleichzeitig mit Hunderten von Piloten auf den westdeutschen Arbeitsmarkt. „Was mir dann von einer kleinen Airline als Job offeriert wurde . . .“, erinnert sich Hellberg und schüttelt den Kopf. Für ihn war es das Startsignal, das eigene Unternehmen aufzubauen.

Mit den ersten Erfahrungen einer Flugschule für Ultraleicht- Flieger, für die er mit einem Bekannten das letzte Geld zusammenkratzte und unter „üblen Konditionen“ Kredite aufnahm, kam er wenige Monate später auf die Idee, mit einer gecharterten Cessna 125 als Verkehrsflieger über der Stadt zu schweben und Staumeldungen als Dienstleistung den Radiosendern anzubieten. Die damals noch neuartige Offerte nahm zuerst Antenne Brandenburg an, bis heute hat Hellberg dort einen festen Sendeplatz.

„Damals war das noch ein Ereignis, die Leute riefen an und wollten mitfliegen“, erinnert sich der Commander. Als kurze Zeit später dann die privaten Radiokanäle Verkehrsflüge planten, scheiterten sie an der Genehmigung. „Der Luftraum war zu der Zeit noch in den Händen der Alliierten und ich hatte mit viel Glück eine von zwei Permissions in der Tasche“, sagt Hellberg. Den großen Medienmogulen damit eine lange Nase gezeigt zu haben, darüber könne er sich noch heute freuen.

Ballon ist unvertraulich

Sein größtes unternehmerische Wagnis wurde indes der Hi- Flyer über dem Potsdamer Platz. Vor anderthalb Jahren schienen noch alle zuständigen Behörden seine Idee zu mögen, er erhielt eine Stellfläche für den Passagierballon und machte abermals Schulden – dieses Mal allein drei Millionen Mark. Um überhaupt eine Chance zu haben, den Kredit jemals tilgen zu können, überzeugte er nach einer „nervenaufreibenden Sponsorensuche“ den Fernsehsender Sat.1, das Vorhaben zu unterstützen.

Doch nun scheint dem Ballon die Luft auszugehen. Die Landesvertretungen von Hessen und Brandenburg haben Sicherheitsbedenken gegenüber dem benachbarten Hi-Flyer: Passagiere in der Gondel könnten den Beamten ja auf die Schreibtische gucken. Hellbergs Betriebserlaubnis lief aus und wurde vom Senat für Stadtentwicklung nicht verlängert.

Genau bei diesem wunden Punkt friert das smarte Lächeln des „Commanders“ ein. Er wirkt frustriert und enttäuscht, wenn er über den Passagier-ballon erzählen soll. „Wenn man in dieser Stadt etwas für den Tourismus macht, ist es auch nicht richtig.“, schimpft er. Er akzeptiere ja gewisse Gründe, aber die könne ihm von behördlicher Seite keiner liefern.

„Man sagt mir einfach: Sie können ja dagegen klagen.“ Hellberg schaut verbittert. „Man sieht, dass von der Aufbruchstimmung in der Stadt nicht viel geblieben ist.“ Mittlerweile sei er auch für 30 Leute in der Firma verantwortlich. Aber resignieren wolle er dennoch nicht. Einen Traum, der vor seinem Fenster steht, hat er sich ja bereits erfüllt.

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