Letzter Auftritt eines Oberterroristen

Der tschetschenische Feldkommandeur Salman Radujew ist jetzt zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt worden

Salman Radujew, 33, tschetschenischer Krimineller und Feldkommandeur, beraubte Anfang der Neunzigerjahre die Freiheitsbewegung seines Ländchens als Erster ihres soliden Rufes. Seine Waffenbrüder kreuzten auf Piratenart mit Kopftüchern und bunten Kostümen auf. Ihre Gefangenen und Geiseln, meist eigene Landsleute, folterten sie sadistisch, um Geld zu erpressen, zum eigenen Vergnügen oder aus beiden Gründen zugleich.

1996 dann beging Radujew das wichtigste Verbrechen, um dessentwillen er am vergangenen Dienstag in der dagestanischen Hauptstadt Machatschkala in Gegenwart des russischen Generalstaatsanwaltes Ustinow zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt wurde: einen Coup, der es ihm erlaubte, sich zum tschetschenischen Nationalhelden zu stilisieren.

Es war ein Verbrechen aus Eifersucht. Anderthalb Jahre lang hatte es Radujew keine Ruhe gelassen, dass der nur wenig ältere tschetschenische Rebell Schamil Bassajew mit einem Überfall auf das südrussische Budjonnowsk und der Belagerung des dortigen Krankenhauses weltweit Aufmerksamkeit erregte und Friedensverhandlungen im Tschetschenienkonflikt erzwang.

Am 9. Januar 1996 überfiel Radujew mit dreihundert seiner Leute die dagestanische Stadt Kisljar, nahm im Krankenhaus dreitausend Geiseln und verbarrikadierte sich mit einigen hundert von ihnen im Dorf Pjerwomajskoje. 78 Menschen starben.

Dass Radujew aus dieser Aktion halbwegs als Held hervorging, verdankt er den Holzhammermethoden der russischen Truppen. Die bombten das Dorf in einer achttägigen Kesselschlacht so platt, dass dort eigentlich keine Maus überleben konnte. Auf wundersame Weise gelang es Radujews Leuten, mit den von ihnen gefangen gehaltenen Frauen und Kindern zu fliehen und sich als Retter ihrer Geiseln aufzuspielen.

Heute will Radujew an alledem keine Schuld tragen. Nur schade, dass er, um sein Image als Russlands Oberterrorist zu päppeln, auch in den folgenden Jahren immer wieder öffentlich die Verantwortung für blutige Sprenstoffanschläge übernahm. Seine kichernden Presseauftritte wirkten dabei oft wie Anfälle eines Wahnsinnigen.

Doch dieser Wahnsinn hatte Methode. Vor Gericht verstand es Radujew in den letzten beiden Monaten, die Diskussion über die ihm zur Last gelegten Terroranschläge auf eine politische Ebene umzuleiten und dafür die gesellschaftliche Situation verantwortlich zu machen, die in Tschetschenien zu Beginn der Neunzigerjahre entstand.

Vielleicht wäre der ehemalige Musterschüler und brillante Student der Volkswirtschaften ja auch kein Terrorist geworden, hätte ihm die Infrastruktur des Ländchens legalere Chancen geboten, hätten ihm in seiner damaligen Eigenschaft als Bürgermeister der Stadt Gudermes die aus Tschetschenien abziehenden russischen Truppen nicht gewaltige Waffenlager in die Hand gegeben. Seiner Statur nach war der schmächtige Mann nicht zum Bandenchef prädestiniert.

Ein Kraftprotz ist er als Maulheld. Dass die Mehrheit der Bevölkerung der Russischen Föderation seinetwegen die Aufhebung des Moratoriums auf die Todesstrafe fordert, kommentierte er geschmeichelt: „Ich fürchte mich nicht vor einem Todesurteil, nachdem ich achtmal von Minen in die Luft gesprengt worden bin.“ BARBARA KERNECK