Rückschlag für die Demokratie in Nigeria

Der Mord an Justizminister Ige verunsichert das politische Establishment. Präsident beruft eine Krisensitzung ein

COTONOU taz ■ Ein politischer Mord am vergangenen Wochenende erschüttert die junge Demokratie in Nigeria. Unbekannte erschossen am Sonntagabend den nigerianischen Justizminister James Ajibola Ige. Der 71-Jährige hatte überdies das Amt des Generalbundesanwalts inne und ist somit der höchste Vertreter des Landes, der allem Anschein nach Opfer von politisch motivierter Gewalt geworden ist. Seit Einführung der Demokratie vor gut zweieinhalb Jahren leidet Nigeria unter religiösen oder ethnischen Unruhen. Die Polizei soll im Zusamenhang mit dem Mord an Ige bereits mehrere Personen festgenommen haben.

Die Mörder drangen am Sonntagabend in das Haus von Ige ein und erschossen ihn angeblich während einer kurzen Abwesenheit der Sicherheitsleute. Als Grund für den Mord wird ein interner politischer Konflikt im Bundesstaat Osun vermutet. In dem Heimatbundesland von Ige herrscht ein Konflikt zwischen dem Gouverneur und seinem Vize. Dieser Streit wurde in den vergangenen Wochen blutig ausgetragen, nachdem ein Landtagsabgeordneter ermordet worden war. Viele sehen nun den Mord an Ige als Vergeltung, weil er die andere Seite unterstützte.

Es gibt aber auch Stimmen, die für den Mord Kreise aus anderen Teilen des Landes verantwortlich machen. Ige galt als Kritiker der Einführung der Scharia in mehreren nordnigerianischen Bundesstaaten.

Doch geht es nicht nur um eine Aufklärung des Falls. Ebenso wichtig ist die Frage, welche Auswirkungen der Mord für das politische System Nigerias hat. Präsident Olusegun Obasanjo rief den Senat für heute zu einer Krisensitzung zusammen. Der Mord an Ige bedeutet einen schweren Rückschlag für die Regierung von Obasanjo. Denn der ermordete Ige war ein enger Gefolgsmann des Präsidenten. Abgesehen von seinen politischen Ämtern war er auch ein Meinungsführer in der Yoruba-Volksgruppe, eines der politisch entscheidenden Völker in dem 120-Millionen-Einwohner Land. Er galt als Ziehsohn und Nachfolger des verstorbenen Begründers eines eigenständigen Yorubastaats, Obafemi Awolowo.

Noch am vergangenen Freitag hatte Ige eine Rede auf einer Feier gehalten. Dort sprach er davon, dass Nigeria noch keine komfortable Demokratie sei. Präsident Obasanjo ermahnte nach dem Mord gesellschaftliche Gruppen, politische Differenzen friedlich zu lösen. Ausserdem versprach der Präsident eine Initiative im kommenden Jahr, die das politische Klima und die Streitkultur verbessern soll.

Abseits des aufgeschreckten, politischen Etablissements ruft der Mord auch andere Reaktionen hervor. Ein junger Zeitungsverkäufer gab nach dem Mord folgenden Kommentar ab. „Er gehörte zur alten Schule.“ Sprich: das System und das politische Denken von gestern.HAKEEM JIMO