Prekäre Präsenz

Schutztruppe „Isaf“ wird eine Wach- und Schließgesellschaft für Kabul sein

von SVEN HANSEN

John McColl hat noch gestern mit der afghanischen Interimsregierung über den Einsatz der von Großbritannien geführten multinationalen Friedenstruppe Isaf (International Security Assistance Force) verhandelt. Der 49-jährige britische Generalmajor leitet die für drei Monate von Großbritannien geführte Truppe, die vom UNO-Sicherheitsrat am 20. Dezember ein „robustes“ Mandat erhielt. Bereits zuvor hatte McColl sich mit einer kleinen Eliteeinheit in Kabul umgesehen, um den von der Bonner Afghanistan-Konferenz gewünschten Einsatz vorzubereiten.

Künftig soll die bis zu 6.000 Mann umfassende multinationale Truppe laut UNO-Resolution 1386 die Sicherheit im Großraum der afghanischen Hauptstadt gewährleisten und lokale Militär- und Polizeikräfte ausbilden. Isaf ist offiziell nur eine Hilfstruppe. Denn für die Sicherheit in Kabul wie auch im Rest des Landes sind afghanische Kräfte verantwortlich. Sie werden überwiegend von Gruppen der Nordallianz gestellt, worüber manche Afghanen nicht eben erfreut sind.

McColl und seine Truppe, zu der 1.500 Briten und 1.200 Deutsche gehören sollen, werden für ihren Einsatz mehr Verhandlungsgeschick und diplomatisches Fingerspitzengefühl benötigen als militärische Machtmittel und Strategien. Denn für eine größere Konfrontation ist seine kleine und nur leicht bewaffnete Truppe trotz ihres Mandats, das die Anwendung von Gewalt erlaubt, ohnehin zu schwach.

Die britische Regierung hatte bereits im November erfahren müssen, wie problematisch es ist, in Afghanistan auf eigene Faust zu handeln, als sie eigenmächtig Elitetruppen auf dem Luftwaffenstützpunkt Bagram stationierte und die afghanische Nordallianz sich darauf verärgert gegen die weitere Stationierung britischer Soldaten aussprach. McColl muss solche Fehler künftig verhindern und zunächst vor allem Vertrauen aufbauen.

Bereits bei Einsätzen auf dem Balkan hat er erlebt, woran Friedenstruppen scheitern können und wann sie erfolgreich sind. 1994 diente er in Bosnien zunächst bei den UNO-Blauhelmen. Später kehrte McColl als Offizier zur erfolgreicheren Nato-Truppe Ifor auf den Balkan zurück und überwachte das Friedensabkommen von Dayton. Erfahrungen in Krisengebieten hatte der Vater dreier Kinder davor bereits in Zypern und Nordirland gesammelt. Zwischenzeitlich war er mit einer Panzerdivision in Deutschland stationiert. Ein Sprecher der britischen Armee meinte denn auch, McColl habe genügend Erfahrungen für die Art von Operationen, die ihn jetzt erwarte.

Zur Amtseinführung der neuen afghanischen Interimsregierung hatte McColl bereits ein erstes Vorauskommando von 53 Mann nach Kabul geschickt. Kurz darauf kamen weitere 300 britische Soldaten hinzu. Bereits heute soll ein multinationales Erkundungsteam aus Offizieren der Entsenderstaaten nach Kabul aufbrechen und dort die Stationierung der Truppe vorbereiten.

Im Norden Londons berieten noch gestern an einem geheim gehaltenenen Ort die wahrscheinlich 16 an Isaf beteiligten Staaten über die genaue Zusammensetzung der Truppe und den Entsendetermin der jeweiligen Kontingente. Voraussichtlich wird die Truppe in drei Einheiten aufgeteilt. Demnach würden deutsche Soldaten mit denen aus den Niederlanden und Dänemark zusammengefasst. Ein weiteres Drittel würde allein aus britischen Soldaten bestehen, das dritte Kontingent wäre eine französische flexible Eingreiftruppe. Anfang Januar soll ein Vorauskommando der Bundeswehr von 200 Mann nach Kabul aufbrechen. Bisher ist noch unklar, welche Nation nach den Briten die Führung von Isaf übernimmt und damit den Nachfolger McColls stellt.

Die USA beteiligen sich nicht mit Soldaten an Isaf. Er war aber bereits vereinbart worden, dass sich McColl mit dem US-General Tommy Franks koordiniert, der die Operationen der USA in Afghanistan leitet. Die US-Truppen dienen auch als Schutz der Schutztruppe, sollte diese in Gefahr geraten. Denn wenn McColl mit seinem diplomatischen Geschick scheitert, wird Isaf militärisch wenig ausrichten können.