K wie Kaffeesatz

„Tragödien bahnen sich an, wo die zwei aufeinander treffen. Jeder nervt jeden. Beide sind Zauderer.“„Sie missverstehen sich dauernd, ohne wirklich zu wissen, warum. Irgendwann bricht Frust aus.“

von ARNO FRANK

Wo römische Auguren noch in Eingeweiden stocherten, vertrauen wir modernen Menschen lieber auf das verlässliche Urteil der Astrologen: In der Zeitschrift Bunte etwa steht zur Konstellation aus Waage und Krebs Folgendes zu lesen: „Beide sind Zauderer, beide hassen die Eile. Passt trotzdem nicht: Der Krebs zögert aus Bangigkeit, die Waage geht vor und zurück, weil sie eins gegen das andere abwägt. So missverstehen sie sich dauernd, ohne wirklich zu wissen, warum“. Ob da jemand Angela Merkel (Krebs) und Edmund Stoiber (Waage) im Sinn hatte? Vielleicht, vielleicht. Lesen wir weiter und setzen anstatt der Sternzeichen die Namen der beliebten Unionspolitiker ein: „Tragödien bahnen sich an, wo die zwei aufeinander treffen“, liest die Bunte im Kaffeesatz. „Jeder nervt jeden. Schluss mit der Gefühlsduselei, sagt der Stoiber. Schluss mit der Show, sagt die Merkel und meckert stundenlang über die Unentschiedenheit mancher Zeitgenossen.“

Wir sehen: Die Frage, wer für die Union bei der nächsten Bundestagswahl kandidieren wird, will, soll, kann oder darf, steht noch in den Sternen. Das Thema aber ist virulent und seit September auch auf einen schönen Begriff gebracht: die K-Frage. Wie der D-Day oder der G-Punkt bezeichnet auch die K-Frage, was besser unbezeichnet bliebe. Oder tut zumindest so, als verberge sich hinter dem K ein Tabu, eine Frage, an der um Gottes willen nicht gerührt werden darf. „Selbstzerstörerisch“ seien hier alle Spekulationen – sagen jene, die die Spekulationen fortwährend nähren. Mal ist das der baden-württembergische Ministerpräsident Erwin Teufel aus Stuttgart, mal sein Kollege Müller aus dem entlegenen Saarbrücken, schlimmstenfalls der Hesse Roland Koch. Immer diese Landesfürsten! Und neuerdings sogar die Wirtschaft! So steht’s in der Leipziger Volkszeitung, balkendick: „Wirtschaft fordert Stoiber als Kanzlerkandidaten“ und wünsche sich eine „Sieger-Strategie“ – die vor allem darin bestünde, dass „Frau Merkel“ Edmund Stoiber die Kanzlerkandidatur „anbietet“. Wer hat das alles der Leipziger Volkszeitung erzählt? Natürlich „ein CDU-Ministerpräsident“. Völlig gleichgültig, wer das gewesen sein mag – er wird es bei der nächstbesten Gelegenheit dementieren. Wie auch Edmund Stoiber bis vor kurzem nonchalant dementierte, was er seinem Kettenhund Glos hinauszuposaunen aufgetragen hatte: Stoiber würde und könnte, wenn er denn dürfte, das wollen auch die Ministerpräsidenten, Industrie und Handwerk, Laptop und Lederhose, Bayern, Musterland, blondes Fallbeil et cetera.

Inzwischen aber verkündet Stoiber selbst im CDU-Hausblatt Die Welt, Franz Josef Straußens Kandidatur 1980 habe „Bayern auch nicht geschadet“ und er, Stoiber, werde die Union wieder zusammenschweißen. Außerdem wolle er sich auf die Wirtschaftspolitik kaprizieren. Wo doch die deutsche Wirtschaft und so weiter.

Derweil weist Angela Merkel auf ihr Geschlecht hin und die Tatsache, dass „Deutschland reif ist für eine Kanzlerin“. Ist Deutschland auch reif für diese Kanzlerin? Eine andere Frage. Mit kalkulierter Zurückhaltung gab Merkel dem Spiegel zu Protokoll: „Im Übrigen möchte ich am Ende des Jahres 2001 nicht am Ende meines politischen Weges sein.“ Was immer das bedeuten mag, gelesen wird es als indirekte Kampfansage an Edmund Stoiber.

Auf die Frage, wo denn die direkte Kampfansage bleibe, antwortete die CDU-Vorsitzende mit fröhlicher Offenheit: „Sie hören von mir immer wieder dasselbe“, nämlich nichts, zumindest nicht direkt, weil sonst die Spannung dahin wäre. Und es soll doch „ein Paukenschlag“ werden, so Merkel wiederum in der Welt. Wenn sich schon alle von der schillernden Seifenblase der K-Frage nasführen lassen, warum sollte man sie vorzeitig zum Platzen bringen? Die nötige Seifenlauge wird sowieso von Profi-Propagandisten zusammengerührt. In der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung plauderte unlängst Roland Kochs spin doctor Dirk Metz aus dem Nähkästchen: „Zur K-Frage schweigt man am besten. Das ist professionelles Verhalten.“ Zum professionellen Verhalten in dieser Branche zählt auch, geschickt Hinweise zu geben und Themen zu lancieren, ohne die Manipulation allzu deutlich zu machen. Dass die Kanzlerkandidatenfrage rechtzeitig vor Weihnachten zur handlichen K-Frage wurde, ist ein solcher Fall. Wie auch jene Umfrage, die „plötzlich“ und „erstmals“ wieder Chancen für die Union prognostiziert. Genug Gesprächsstoff zu Fest und Jahreswechsel.

Sie haben sich natürlich längst geeinigt, die Angela und der Edmund, Krebs und Waage. In aller Gemütlichkeit. Stoiber stürzt sich ins Getümmel und wird verlieren, weil sich Deutschland keinen Bayern als Kanzler wählt. Und Frau Merkel wird es 2006 noch einmal versuchen, wenn Deutschland schon überreif ist für eine Kanzlerin. Doch dann kommt wieder die K-Frage. Mit Roland Koch, Widder. Ob das gut geht? Fragen wir doch einfach die Sterne . . .