Sensible Meditation mit Ragtime

■ Bis auf's laute Blech gelungen: Silvesterkonzert mit Hamburger Staatsorchester

Langsam scheint es zur Selbstverständlichkeit zu werden: Das nun schon dritte etwas andere Silvesterkonzert mit dem Hamburger Staatsorchester unter dem nur scheinbar fragenden Motto Who is afraid of 20th Century Music? Am Pult der musikalische Chef dieses Orchesters und erklärte Liebling sämtlicher musikfreudiger Schwiegermütter: Ingo Metzmacher.

Und bei der charmant und liebenswürdig zur Schau getragenen rhetorischen Unbeholfenheit dieses so begnadeten Dirigenten nimmt wohl jeder der vielen Zuhörer gerne in Kauf, dass auch einmal ein Stück nicht dem eigenen Geschmack entspricht. Der das Konzert dirigierende und moderierende Metzmacher versteht es allerdings auch wunderbar, dem Publikum noch die ungewohntesten Klänge schmackhaft zu machen. Und da die von ihm und seinem Dramaturgen geschickt zusammengestellten Stücke nie eine Länge von zehn Minuten überschreiten, wird auch Niemandes Aufnahmefähigkeit zu stark beansprucht.

Das Konzept des anderen Hamburger Silvesterkonzertes trug im dritten Jahr besser denn je. Metzmacher konnte sogar ohne negative Auswirkungen auf die Publikumswirkung auf leicht verträgliche Komponisten des 20. Jahrhunderts wie Weill, Ravel oder Gershwin verzichten. Leichter verdauliche Kost aus der amerikanischen Filmmusikszene und aus der Feder von Chatschaturjan und Bernstein gab es erst im Zugabenblock.

Zuvor zeigte sich das Hamburger Orchester von seiner wandlungsfähigsten Seite. Da spielte es mit augenzwinkernder Ironie Bernd Alois Zimmermanns Rheinische Kirmestänze ebenso souverän wie die meditativ in sich kreisenden Klänge von Arvo Pärts Fratres. Und auch Schnebels Mahler-Moment gelang makellos. Bei der Uraufführung von Anton Plates sehr interessantem Stück Passing allerdings wirkten nur die Streicher überzeugend. Die Bläser, vor allem das Blech, schienen in ihren ragtimeartigen Einwürfen jegliche Hemmung verloren zu haben und pusteten, was das Zeug hielt: also viel zu laut. Leider geschah dies auch in manch anderem Stück des Programms, was der Qualität nicht sonderlich gut tat. Trotzdem: das Orchester zeigte erstaunliches Feeling für jazzige Klänge ebenso wie rhythmischen Drive und Feinschliff. George Antheils Jazz Symphony gelang ebenso wie Gunther Schullers Blauer Teufel oder auch Dmitri Kabaleweskis Ouvertüre zur Oper Colas Breugnon.

Wenn das in den nächsten Jahren so überzeugend weitergeht, dann wird bald der Enkel zur Großmutter sagen: Let's go to Metzi, Omi! Denn dann wird dieses Silvesterkonzert zum generationenübergreifenden Kult. Reinald Hanke