Verwöhn-Zitzen für Bett

■ Die Fun Factory in der Bremer Neustadt will Sex-Toys aus der Schmuddelecke holen. Ein Wettbewerb an den Hochschulen für Künste brachte neue Ideen

Für Frauen sind Sex-Spielzeuge aus der Bremer Fun Factory so etwas wie der Mercedes auf dem Weltmarkt. Jetzt will das Unternehmen den Männern an die Wäsche. Frauen glücklich zu machen ist so einfach. Jedenfalls tut die Bremer Fun Factory das seit sechs Jahren weltweit mit wachsendem Erfolg - mit quietschbunten Sex-Spielzeugen, die ihrem Namen Ehre machen: Auf den ersten Blick würde niemand glauben, dass sie für Erwachsene gedacht sind. Soll man auch nicht. Die Neustädter wollen Sex-Toys aus der Schmuddelecke holen. Der Vibrator soll auf der Badezimmerkonsole liegen können wie eine Zahnbürste, auch wenn direkt darunter das Gästehandtuch hängt.

Deshalb haben die Fun-Modelle Designs, die auch im Ikea-Katalog nicht unangenehm auffallen würden: putzige Tierchen in farbenfrohem Silikon, mit vertrauenerwe-ckenden Namen. Der Klassiker, Delfin „Flipper“ hat gerade ein Face- und Body-Lifting hinter sich: Bei der Entfernung anatomisch störender Kanten, die noch vom Vorbild Banane herrühren mögen, rückten die Augen etwas dichter zusammen, die Nase wurde noch platter und der Mund wurde zu einem Lächeln hochgezogen – fertig war das Kindchen-Schema. Selbst Modelle, die im konventionellen Sex-Shop „Noppen“ und „Riffeln“ heißen würden, kommen hier als „Pünktchen und Anton“ daher. „Wir wollen es leichter machen, über Sex zu sprechen“, erklärt Produktdesigner Heinrich Brüggemann den Trick mit infantilen De-signs und Produktnamen. „In unserer Gesellschaft wird ja alles Mögliche tradiert, nur da muss jeder selbst sehen, wie er klarkommt.“ Für Männer gilt das weitgehend immer noch. Jedenfalls Heteros werden im Fun-Factory-Sortiment nur fündig, wenn sie extrem experimentierfreudig sind.

Sie müssen sich auf der Suche nach Lustableitern meist in die wenig einladenden Shops in Bahnhofsnähe schleichen. Dort hält man für sie – je nach Geldbeutel – mehr oder weniger anspruchsvolle Nachbildungen dessen bereit, was die Industrie für die weibliche Konsens-Sexbombe hält. Oder wesentliche Details davon, wie glibberige Gummi-Muschis, die beim Gebrauch allmählich zerbröseln. Das kann doch nicht alles gewesen sein, dachte man sich bei der Fun Factory mit Blick auf ein neues Marktsegment. Nun naht Abhilfe: Im vergangenen Sommer hat das Bremer Unternehmen einen Wettbewerb an allen deutschsprachigen Hochschulen für Gestaltung ausgeschrieben. Aufgabe war, Sex-Spielzeug für Männer zu entwerfen, das sich auch im Wohnzimmer dekorativ macht. Und wer würde sich schon eine aufblasbare Dolly Buster mit dreifach vergrößerten Schamlippen nebens Sofa stellen? Mit den Entwürfen von StudentInnen hat die Fun Factory schon früher gute Erfahrungen gemacht: An der Bremer Hochschule für Künste ließ sich die Firma eine ganze Serie mit Sternzeichen-Vibratoren entwerfen – ein echter Geschenk-Knüller, der die Schamgrenze noch mal ein Stückchen runtersetzt.

Aber diesmal war die Aufgabe anspruchsvoller. Zum Beispiel das Objekt „Belluna“ des Kasseler Jungdesigners Henrik Hornung: Der zweigeteilte Korpus erinnert von oben entfernt an Brüste, von der Seite an Pobacken, in der Mitte hat es einen Schlitz. Aber alles ist so weit stilisiert, dass es auch als moderne Tischplastik durchginge. Perfekte Umsetzung der Aufgabenstellung, fand die Jury, der unter anderem der Bremer Designer Detlev Rahe angehörte, und vergab den ersten Preis. In Serie wird das Stück wohl dennoch nicht gehen: „Darin ist der Penis nicht genug umschlossen“, kritisiert Spezialist Brüggemann. Mit dem Schöpfer will die Fun Factory aber trotzdem an der Entwicklung von Männer-Toys weiter arbeiten.

Kein Problem ist die „Umschließung“ dagegen bei „Remote Affair“ (zweiter Preis). Die Dortmunder Studenten Jan Totzek und Pedro Rodrigues haben kein reines Männer-Toy konzipiert, sondern eher eine Online-Plattform samt Peripherie zur Rettung von Fernbeziehungen. Die Idee: Die Frau bekommt einen Vibrator, der Mann eine Art Saugrohr, die jeweils mit einem Internet-fähigen Rechner verbunden sind. Wenn die Geräte am Einsatzort sind, trifft man sich virtuell in einem Chatroom, betrachtet sich mit einer Webcam und kann per Mausklick Vibrationen auslösen.

Klingt wie die Lösung aller Probleme für Kontaktscheue, Hygiene-Fetischisten, Körper-Phobiker und AIDS-Paranoiker, aber Praktiker Brüggemann dämpft die Euphorie: „So etwas ist leider extrem aufwändig zu realisieren.“ Außerdem hat das Prinzip eine mechanische Schwäche: „Sie kriegen damit keine Stöße hin.“ Jedenfalls nichts für die Produktpalette der Fun Factory.

Ebenfalls ohne Realisierungs-chance ist wohl die Idee „multi-geil“. Die Stuttgarter Tobias Königer und Florian Wildenhahn haben in einer Art doppeltem Hüpfball so ziemlich alle Männerphantasien vereint - und mehr nicht. „Reduce to the max“ war das Motto, mit dem Ergebnis, dass sich an blonden Zöpfen festhalten kann, wer es auf die Kunst-Muschi abgesehen hat. Wer dagegen die „Luxusrosette Nimmersatt“ bevorzugt, findet an „Verwöhn-Zitzen“ Halt, in der S/M-Version auch in Schwarz und gepierced. „Diese ironische Übertreibung sorgte für großes Gelächter in der Jury“, erinnert sich Factory-Designer Brüggemann, „auch bei Uta Brandes“. Das war so was wie ein Political-Correctness-Stempel, vertrat Deutschlands einzige Pofessorin für „Geschlechterverhältnisse im Design“ doch die feministische Perspektive in der Jury, die für das „Ekstase-Ensemble“ einen Sonderpreis vergab. Das Modell hätte in den vier Grundfarben „Tokyo“, „Saint-Tropez“, „Bielefeld“ und „Elfenbeinküste“ auf den Markt kommen sollen. Wie viele Entwürfe hat es ein gravierendes Problem, das die Tüftler bis heute beschäftigt: die Reinigung. Männer sind eben Schweine, und wenn sie sich so richtig sauwohl fühlen, bleibt etwas Klebriges zurück, das manche künstliche Öffnung für immer unbrauchbar macht. Wie man das löst? Brüggemann blickt geheimnisvoll : „Wir haben da schon ein paar Ideen ...“

So wird es noch dauern, bis aus der Manufaktur am Neustädter Hohentorshafen formschöne Lustmacher für Männer kommen. Dann müssen sie sich ein neues Testfeld für die Markteinführung suchen – bisher waren sie auf den Bremer Frauen-Erotikladen „for ladies“ abonniert . Jan Kahlcke