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: American Football: Super-Bowlisten in Not

Elvis ist kein Marino

Am Ende half den New York Giants nicht einmal der „76 Lambuth Special“ – ein trickreicher Spielzug, der nach einem kleinen College in Tennessee benannt ist. Dabei lief fast alles nach Plan. Sekunden vor Schluss des Matches gegen die Philadelphia Eagles eilte Ron Dixon, Absolvent von besagtem College, die Linie entlang, der siegbringende Touchdown schien sicher. Sechs Yards vor der Endzone kam jedoch plötzlich Damon Moore geflogen und rammte Dixon zu Boden. Das Spiel war vorbei, die Giants hatten zum dritten Mal in ihrer Geschichte ein Jahr nach einer Super-Bowl-Teilnahme die Play-offs verpasst.

„Ein Spiegelbild des Saisonverlaufes“ sei das Match gewesen, sagte Coach Jim Fassel. Zum fünften Mal hatten die New Yorker ein Match verloren, in dem sie zu Beginn des letzten Viertels geführt hatten, wieder waren es die kleinen Dinge, die ihnen den Sieg kosteten. Individuelle Fehler, würden Bundesligatrainer sagen, die diesmal all das misslingen ließen, was den Giants letzte Saison geglückt war. Durchaus passend, das der entscheidende Spielzug ausgerechnet Ron Dixon danebenging, jenem Spieler, der vor einem Jahr zwei spektakuläre Touchdowns mit Kick-off-Returns erzielte, einen davon in der gegen die Baltimore Ravens verlorenen Super Bowl.

Nach dieser Niederlage hatten die Giants ihre Mannschaft sogar noch verstärkt und waren überzeugt, das Zeug zum Champion zu haben. Drei Siege in den ersten vier Saisonspielen nährten große Hoffnungen, doch dann brachten zwei Niederlagen mit jeweils einem Punkt gegen St. Louis und Philadelphia das Team aus dem Rhythmus. „Seitdem waren wir nicht mehr dieselben“, sagt Quarterback Kerry Collins. Ein enttäuschter Jim Fassel merkte dennoch nicht ohne Stolz an: „Wir haben gezeigt, dass wir mit allen Mannschaften, die in den Play-offs weit kommen werden, mitspielen können.“

Das gilt besonders für den absoluten Titelfavoriten, die St. Louis Rams, die nur zwei Spiele verloren haben und mit Quarterback Kurt Warner und Running Back Marshall Faulk gleich zwei heiße Kandidaten für den Titel des besten Saisonspielers besitzen. Im letzten Jahr hatte das überraschende Aus der Rams gegen New Orleans den Weg für Baltimore geebnet, ob der Titelverteidiger diesmal überhaupt mitmischen wird, ist noch ungewiss. Auch die Ravens haben eine sehr durchwachsene Saison hinter sich, und wenn sie am kommenden Montag gegen Minnesota verlieren sollten, könnte es sein, dass erstmals in der NFL-Historie beide Super-Bowl-Teilnehmer die Play-offs verpassen. Dafür müssten allerdings am Sonntag sowohl die Seattle Seahawks als auch die New York Jets ihre Matches gewinnen.

Die Ravens hatten nach dem Gewinn der Meisterschaft ziemlich schnell deutlich gemacht, wem sie den Triumph nicht zu verdanken glaubten. Quarterback Trent Dilfer bekam keinen neuen Vertrag, an seiner Statt wurde Elvis Grbac geholt. Der erhielt einen Fünfjahreskontrakt über 30 Millionen Dollar und sollte das fast ausschließlich auf seiner starken Defensive basierende Team mit Angriffsschwung erfüllen. Inzwischen gilt Grbac als glatter Fehleinkauf – außer bei Coach Brian Billick. „Er ist jetzt mein Quarterback, er wird nächstes Jahr mein Quarterback sein und hoffentlich auch im Jahr danach und im Jahr danach“, bewies der Trainer zumindest verbale Treue. Vorsichtiger äußerte sich Ravens-Vizepräsident Ozzie Newsome. „Offensichtlich hat Elvis nicht so gut gespielt, wie er sich das wünschte.“ Eine höfliche Umschreibung für die Leistung des Quarterbacks, der in 15 Partien 15 Touchdown-Pässe, aber 18 Interceptions warf und stolze 21 Sacks kassierte. Fünf davon zuletzt bei der 10:22-Niederlage gegen die Tampa Bay Buccaneers, die jenen die Play-off-Qualifikation brachte, die eigene aber erstmal verhinderte. „Elvis muss nur auf den Football aufpassen“, sagt Teamkollege Shannon Sharpe fast flehentlich, „er muss nichts Besonderes tun. Wir haben bewiesen, dass wir mit einem Quarterback gewinnen können, der kein Dan Marino ist.“

Auch im letzten Jahr waren die Baltimore Ravens spät in Schwung gekommen, eine Entwicklung, auf die Brian Billick diesmal wieder hofft: „Noch ein wichtiges Spiel und dann öffnet sich die ganze Welt.“ Pikante Fußnote, dass einer, der den Ravens in die Suppe spucken könnte, ein alter Bekannter ist: Trent Dilfer, der am Sonntag wohl für Seattle gegen Kansas spielen wird. Dreimal ist er diese Saison für die Seahawks aufgelaufen, dreimal gewann er. Inklusive seiner Siegesserie mit Baltimore ist Dilfer seit 14 Spielen ungeschlagen. Das können wenige Quarterbacks von sich behaupten. Bestimmt nicht Elvis Grbac. MATTI LIESKE