Präsidentensessel als Schleudersitz

Nach dem Rücktritt von Adolfo Rodríguez Saá steht Argentinien schon wieder ohne Staatschef da. Um den Posten reißt sich niemand, doch jetzt möchte der Peronist und Exgouverneur von Buenos Aires, Eduardo Duhalde, die Gunst der Stunde nutzen

aus Buenos Aires INGO MALCHER

So schnell, wie er aus dem Nichts auftauchte, verschwand er auch wieder. Adolfo Rodríguez Saá war kaum eine Woche im Amt, da gab er am Sonntagabend seinen Rücktritt bekannt. Der Grund: Die Gouverneure seiner eigenen Justizialistischen Partei (PJ) hatten den Übergangspräsidenten auflaufen lassen. Nachdem Demonstranten vergangene Woche im Nationalkongress Feuer gelegt hatten, rief Saá alle Gouverneure seiner Partei zusammen. Von 14 peronistischen Provinzfürsten erschienen nur sechs.

Die Partei hatte Saá Unterstützung und Vertrauen entzogen. Der Gouverneur der Provinz Córdoba, De la Sota, beschuldige Saá, die Gouverneure „bei keiner Entscheidung“ konsultiert zu haben. Wahrscheinlicher ist, dass Saá einigen von ihnen zu ehrgeizig wurde. Er lief sich im Präsidentenpalast für den Wahlkampf im März warm. Dabei schmieden mindestens drei einflussreichere Gouverneure eigene Präsidentenpläne bei den Peronisten.

Nach Saás Rücktritt wollte zunächst niemand auf dem Präsidententhron Platz nehmen. Als Saá seinen Hut nahm, folgte ihm sein peronistischer Parteikamerad, Senatspräsident Ramón Puerta, ohne zu zögern. Verfassungsgemäß hätte Puerta die Amtsgeschäfte übernehmen sollen, aber der Mann ahnte wohl, was auf ihn zugekommen wäre.

Jetzt hat sich der Exgouverneur der Provinz Buenos Aires, Eduardo Duhalde, ins Spiel gebracht. Wenn ihm seine Peronistische Partei nicht noch einen Strich durch die Rechnung macht, wird er von Abgeordneten und Senatoren zum Übergangspräsidenten bestimmt. Duhalde ist ein zwielichtiger Politiker, dem wiederholt Korruption vorgeworfen wurde. Bei den Präsidentenwahlen 1999 war er gegen Fernado de la Rúa von der Radikalen Bürgerunion (UCR) durchgefallen.

Duhalde versucht sich dieser Tage mit sozialpolitischer Rhetorik zu profilieren und will bis 2003 die Amtsgeschäfte führen – das bedeutet ohne Neuwahlen im März. Er hat angekündigt, eine Regierung der nationalen Einheit zu bilden. „Es geht jetzt nicht um Köpfe oder Parteien, sondern um das Land“, sagte er. Er will mit der UCR und anderen Oppositionsparteien zusammenarbeiten und ihnen auch Ministerposten anbieten.

Eine strategischer Schachzug. Denn die neue Regierung sieht turbulenten Zeiten entgegen. Wer in Argentinien die Amtsgeschäfte übernimmt, muss schmerzhafte Entscheidungen fällen. So wird die neue Regierung die 1:1-Parität zwischen Dollar und Peso aufheben müssen. Dies bedeutete, dass das Vermögen der gebeutelten Mittelklasse nochmals drastisch sinken würde. An eine Freigabe der eingefrorenen Konten ist nicht zu denken, weil die Banken zu wenig Geld haben. Genau das sorgt für Sprengstoff, da viele befürchten ihre Ersparnisse zu verlieren. Auch dürfte es viel Durchhaltevermögen kosten, die Zahlungsunfähigkeit der 155-Milliarden-Dollar-Schuld aufrechtzuerhalten. Unsicher bleibt, ob es gelingt, die Wirtschaft auf Trab zu bringen. Sollte Duhalde scheitern, scheitern alle Parteien.