Klischees abgewatscht

■ Das Millerntor als Oase im männerdominierten Fußballgeschehen? Eine Fotoausstellung widmet sich den weiblichen Fans des FC St. Pauli

Der FC St. Pauli ist, wie immer, ein bisschen anders. Auf den Rängen stehen mindestens 80 Prozent Frauen, blöde Anmache und Macho-Gehabe gibt es am Millerntor nicht und der Verein überlegt zur Rückrunde das erste Frauenteam gegen Wolfsburg antreten zu lassen. Schließlich kann es nur besser werden!

Soweit das Klischee. Kein Klischee: Rund ein Viertel des Publikums am Millerntor sind Frauen. Ines Hennenberg und Carmen Romatowski sind zwei von ihnen und haben sich zwischen Kuchenblock, Meckerecke, Gegengerade und Clubheim nach dem Rest der 25 Prozent umgeschaut. Romatowski machte Fotos, Hennenberg führte Interviews dazu. Ende Dezember präsentierten die beiden ihre Ausstellung 25 Prozent – Frauen – Fußball – FC St. Pauli im Clubheim des besagten Vereins.

Ob die dortige Wirtin Brigitte, Geschäftsführerin Tatjana Groteke, Marisella aus dem Frauenteam oder Jasmin, die Polizistin aus dem „Einsatzzug Mitte 1“ vor dem Gäs-teblock – in den Statements wird so manches auch progressive Klischee abgewatscht: „Frauenfußball? Interessiert mich überhaupt nicht“, meint Daliah, 35 Jahre alt und aus der Meckerecke. „Beim Fußball will ich Kerle sehen, die sich um den Ball prügeln.“ Und Nici (30, Singing Area) fragt sich: „Was muss ich denn den Männern beweisen? Gar nix. Ich halte mich für genauso kompetent in Fußballfragen wie die meisten Männer.“ Sind Frauen gar die lauteren Fußball-Fans? Jolly-Roger-Tresenkraft Alice steht ebenfalls immer in der Meckerecke und sagt: „Die Frauen, die zu St. Pauli kommen, schreien manchmal mehr als der Kerl nebenan. Und die regen sich mehr auf und heulen mehr, wenn es schlimm ist.“ Ines Hennenberg erläutert: „Frauen sind untrennbar mit dem FC St. Pauli verbunden. Das ist bei einem Fußballverein selten. Die Leidenschaft, mit der diese Frauen zu ihrem Verein stehen, wollten wir abbilden.“

Ist St. Pauli also doch die Oase in der Männerwüste Bundesliga? „Die blöden Sprüche gibt es hier auch, sie kommen aber nicht so oft“, sagt Ines und von Marisella ist zu lesen: „Persönlich habe ich hier noch keine Sprüche gehört. Überhaupt nicht. Außer von den Werbeplakaten. Die nerven.“ Auf einem davon steht „Fußball ohne Frauen – nicht mit uns“ (oder so ähnlich). Zum Vergleich: Den 1. FC Köln feuern gerade mal acht Prozent Frauen an, Schalke 04 immerhin 18, eine ähnliche „Quote“ wie St. Pauli hat gerade noch der SC Freiburg. Aber zum HSV gehen doch auch recht viele Frauen? „Das wissen wir gar nicht“, gibt Ines zu. „Wir haben sämtliche Bundesligavereine angeschrieben und um Zahlen gebeten. Die wenigsten haben sich zurück gemeldet. Vom HSV kam auch nach mehrmaligen Nachfragen keine Antwort. Viele Vereine haben vielleicht keine Zahlen – oder sie sind ihnen peinlich.“

Aber der FC St. Pauli ist ja wie gesagt immer ein bisschen anders, also, wie wär's: Ferienverlängerungen für die Männer, die Frauen spielen die Rückrunde. Denn, wie Laura (26, Gegengerade) es formuliert: „Frauen und Fußball? Was wollen Männer überhaupt beim Fußball?“ Markus Flohr

25 Prozent – Frauen – Fußball – FC St. Pauli war Ende Dezember kurz im Clubheim des FC St. Pauli zu sehen, mögliche weitere Ausstellungsorte werden derzeit gesucht