Brötchenlastige Klopse

Morbus Fonticuli oder Die Wut des Innensenators – Hamburger Schriftsteller schockt Schill

Lokalpatrioten haben es dieser Tage nicht leicht in Hamburg. Erst kam heraus, dass die Spur der Attentäter des 11. September nach Hamburg führte, und dann ein Roman, der ganz Hamburg abermals und fast noch schlimmer ins Zwielicht brachte: „Morbus Fonticuli oder Die Sehnsucht des Laien“, verfasst von dem zugezogenen Wahlhamburger Frank Schulz (43).

“Alles, was uns Hamburgern heilig ist, ist dem Autor billig und wird in den Dreck seiner pornographischen Phantasie gezogen“, heißt es in einer Pressemitteilung des Hamburger Innensenators Schill. Und tatsächlich bezeichnet Frank Schulz den Elbtunnel als „Arschloch zur Welt“ und lässt den Helden des Romans auf der berühmten Köhlbrandbrücke mit einer Nymphomanin namens Bärbel den Koitus ausüben: „Unter ständiger Wartung meines Geräts umwickelte ich mit dem Lappen hastig das hintere Nummernschild, warf noch einen Blick das Straßengefälle hinunter, und bevor ich diesseits des Handlaufs auf den Zementfuss eines Haltverbotsschildes stieg, sah ich auf Bärbels Binnenschenkel, zwei Fingerbreit unterhalb dessen, wo ihre amphibischen Finger rieben, eine Spur ihres Vulvamagmas schimmern, nur einen winzigen Augenblick lang, der doch die Ewigkeit versilberte.“

Nach Ansicht des autofahrerfreundlichen Innensenators Schill hat Schulz gezielt Verkehrsknotenpunkte in und um Hamburg lächerlich gemacht. „Das“, so Schill, „muss sich der Standort Hamburg nicht bieten lassen. Hier schlagen wir hart zurück, mit allen rechtlichen Mitteln.“

Vom Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kultur wurde Frank Schulz bei der Arbeit an seinem Roman durch einen Literaturförderpreis unterstützt. „Mir wäre es lieber, sie hätten das Geld an ihre Schweine verfüttert, als es einem so genannten Schriftsteller zu geben, der das Ansehen der Stadt Hamburg in den Dreck zieht“, erklärte Schill gegenüber dem „Hamburger Abendblatt“. Dieses Thema werde er im Bundesrat offen zur Sprache bringen. Es sei ein Skandal, dass ein benachbartes Bundesland Steuermittel für eine Pornoschnulze vergeude.

Auch die Bewohner des weiteren Einzugsgebiets werden von Frank Schulz dem Gespött preisgegeben. „Es hätte nicht weniger würdevoll gewirkt, hätte er coram publico in die Hosen gestrunzt“, erfährt man auf S. 532 über einen ehrenwerten, im Kreise der Familie seinen Geburtstag feiernden Jubilar. Am schlechtesten kommen die gastronomischen Betriebe in der Süderelbe weg: „Ich hatte aufgegeben. Die öligen Kartoffeln und der brötchenlastige Klops wuchsen in meinem verwüsteten Magen wie ein Pilz. Die angekündigte Salatbeilage bestand aus zwei gezackten Sauerampfern . . .“

Das sei „reinste Negativwerbung für unser Umfeld“, meint Sven Oberbaum (58), der Geschäftsführer des Interessenverbands Süderelbe e.V. „Unsere Anwälte prüfen das noch, aber wir werden auch gerichtlich gegen Herrn Schulz vorgehen, wenn er uns hier Dinge unterstellt hat, die in der Kernbehauptung der Unwahrheit entsprechen. Von brötchenlastigen Klopsen ist uns hier noch nichts, ist uns hier, sofern ich sehe, ist uns hier noch nichts über die, über den, über den Weg gelaufen oder bekannt geworden, und auch keine öligen Kartoffeln!“

Gefahr droht dem Autor nicht zuletzt aus dem Hamburger Rotlichtmilieu, in welchem er ein besonders schweinisches Kapitel seines Romans angesiedelt hat. Verschiedene Kiezgrößen fühlen sich bloßgestellt und haben Schulz telefonisch Rache angedroht. „Der sollte schon mal seine Rippen numerieren“, sagt ein Kiezkenner, der ungenannt bleiben möchte.

Frank Schulz gibt sich bei alledem erstaunlich gelassen. „Ist doch nur Literatur“, sagt er leichthin und bettet das rohe Steak vom einen blauen Auge auf das andere um. „Die sollen sich nicht so anstellen, die Pissflitschen.“ Tun sie aber. GERHARD HENSCHEL