Gewebe von Toten als Exportartikel

In Tschechien regt sich Widerstand gegen die Praxis von Kliniken, Gewebe Verstorbener ins Ausland zu verkaufen

PRAG taz ■ Ein feines kleines Nebeneinkommen haben sich rund 20 tschechische Krankenhäuser ausgedacht: Sie verkaufen Gewebeteile verstorbener Patienten, sowie Kniegelenke und Augen an verschiedene Hospitäler im Ausland. Und das ohne Wissen der Angehörigen. Ethisch fragwürdig, gesetzlich aber erlaubt: „Bei der Entnahme halten wir uns an die entsprechenden Gesetze“, erklärte der Chef des Krankenhauses Decin in Nordböhmen, Jiri Vytlacil. Im übrigen halte er diese Praxis nicht für unmoralisch: „Wenn die Gesetze unzureichend sind, sollen die Abgeordneten sie ändern“, fügte er hinzu.

Genau das will die sozialdemokratische Abgeordnete Eva Fischerova. Sie war die erste, die das tschechische Parlament auf diese Praxis der Krankenhäuser aufmerksam gemacht hat. Den Vertrieb der Ware erledigt die Prager Firma Medal. Deren Geschäftsführer, Jiri Prib, versteht den Aufruhr nicht. Schließlich würde die Entnahme von Gewebe als Basis für die Herstellung von Gewebeersatz vielen Manschen weltweit das Leben retten. „Als Handelsgesellschaft verdienen wir an der Ausfuhr der entnommenen Gewebe, aber unethisch ist das nicht,“ sagte er.

Die Firma Medal, die mit rund 20 tschechischen Krankenhäusern Verträge hat, will sich verpflichtet haben, die Gewebe allein zu Heilzwecken weiterzuverkaufen. „Ansonsten wäre das reine Geschäftemacherei“, erklärte Prib. Die Aktivitäten seiner Firma seien vergleichbar mit denen von Bestattungsinstituten oder privaten Rettungsdiensten.

In Tschechien klafft hier noch eine fette Gesetzeslücke. Denn es gilt, dass, wer verstirbt, auch automatisch einer Organ- oder Gewebentnahme zustimmt. Die Patientenlobby fordert nun eine Gesetzesänderung, durch die sich Tschechien anderen europäischen Ländern angleicht, die bei einer Organspende eine Zustimmung durch Organspendepässe beziehungsweise die Angehörigen fordern. ULRIKE BRAUN