Für eine Hand voll BVB-Trikots

■ Trotz Unruhen im eigenen Land spielen und verlieren die Amateure des argentinischen Fußballklubs MB Computación beim Qualifikationsturnier für den Astra-Cup

Anfang Januar gelten vereinfachte Regeln: Fußball wird in der Halle gespielt und wer die Argentinier foult, der wird ausgebuht. Als einem Spieler des Meiendorfer SV das Missgeschick passiert, einen Rivalen vom Fußballklub Hay Equipo an der Bande mit einer gewissen Grundaggressivität anzugehen, sind die Sympathien schnell und klar verteilt. Die Meiendorfer werden keine Publikumslieblinge mehr und die südamerikanischen Gäste gewinnen wenige Punkte, aber umso mehr Applaus.

So läuft der HIT-Cup. Acht Hamburger Verbandsligisten und der argentinische Vertreter Hay Equipo FC kämpfen um einen Platz beim Alsterradio-Cup, dessen Sieger ab Freitag beim Astra-Cup antreten darf. Hay Equipo FC ist der Sammelname für alle argentinischen Mannschaften, die seit Mitte der neunziger Jahre beim ersten Vorturnier um den Astra-Cup mitspielten. 2002 kommt das Team aus Córdoba, der Stadt, aus der Reporter Edi Finger 1978 nach dem 3:2 gegen die DFB-Auswahl sein wundenbohrendes „I werd' narrisch“ nach Österreich schrie. Die argentinischen Kicker sind ungefähr so alt wie Österreichs letzter Triumph über die Piefkes und heißen eigentlich MB Computación – benannt nach einer Computerfirma, bei der ein Spieler angestellt ist und der als Sponsor die Amateurmannschaft unterstützt.

Als Mitte Dezember die ersten Supermärkte in der argentinischen Provinz geplündert werden, setzt sich das Team um das Brüdertrio Bernasconi gegen 300 konkurrierende Mannschaften durch und gewinnt das Hay Equipo-Turnier in Buenos Aires – eine Art argentinische Hallenmeisterschaft für Amateurfußballer. Zwei Wochen und drei Präsidenten später sitzen die acht Spieler im Flieger nach Hamburg und lassen die unklare politische Situation in der Heimat bis zum Rückflug am Sonntag für eine Woche hinter sich. „Es ist schön hier“, geben sich die Spieler höflich bis wortkarg, wenn man sie auf die Geschehnisse in Argentinien anspricht: „Wir sind gerne in Hamburg.“ Betreuer Manfred von Ellerts, der früher selbst jahrelang in Argentinien lebte und die jungen Fußballer als Stadtführer zu Kiez und Kaufhallen (Dortmund-Trikots sind dort die begehrtesten Waren) begleitet, nimmt die besondere Anspannung seiner Schützlinge wahr. „Das beschäftigt sie schon sehr“, weiß von Ellerts: „In den Köpfen ist das gegenwärtig.“

Vielleicht liegt es auch daran, dass 2002 der erste Turniersieg der Argentinier in Hamburg erneut ausbleiben wird. Gerade zu Beginn des Turniers wird deutlich, dass die Computer-Kicker erst seit einem Jahr zusammenspielen. Mit einzelnen Kabinettstückchen erfüllen sie zwar ihre klischeebeladene Rolle als lateinamerikanische Ballkünstler, doch einzelne Spielzüge haken noch und scheitern nicht zuletzt auch an dem ungewohnt aggressiven Einsatz, mit dem einige Gegner zu Werke gehen. „Die Schiedsrichter lassen hier einiges durchgehen“, staunt Fabian Avila und nennt eine weitere Umstellungsschwierigkeit. Hallenfußball sei in Argentinien zwar sehr beliebt, aber: „Wir haben noch nie in einem Feld mit Bande gespielt.“

Statt auf Parkett wird auf synthetischem Rasen gekickt, der Spielball ist kleiner und schwerer als die in Deutschland für Rasen, Grand und Parkett gleiche Pille. Und damit können die Hamburger Amateure zunächst besser umgehen. Gegen Meiendorf (0:3), VfL 93 (2:4) und Glashütte (0:6) bleibt MB Computación chancenlos, bevor ihnen im letzten Spiel gegen Hals-tenbek-Rellingen doch noch ein 4:2-Erfolg gelingt, und sie sogar den Skalp einer Bundesliga-Legende vorweisen können: Bei den Halstenbekern rundet St. Pauli-Veteran Jürgen Gronau seine Fußball-Karriere ab.

Gronaus Nachfolger versuchen heute und morgen bei der 16. Auflage des Astra-Cups, nach der Finalniederlage 2001 gegen Viborg FF den sechsten Turniersieg für den FC St. Pauli zu erreichen. Lokalrivale Hamburger SV schickt wie üblich eine Mischung aus jungen Profis und einigen Spielern der erfolgreichen Amateur-Mannschaft (Oberliga-Spitzenreiter) in die Halle. Das Prinzip einer Nord- oder Ostseeanbindung spielte bei den Einladungen des Turnier-Organisators Horst Peterson auch in diesem Jahr die entscheidende Rolle. Drei skandinavische Gäste, ein polnisches und ein russisches Team wollen neben dem Gewinner des gestern ausgetragenen Alsterradio-Cups (bei Redaktionsschluss noch nicht beendet) den beiden Hamburget Erstligisten Paroli bieten. Folke Havekost

16. Astra-Cup 2002

Heute ab 18.30 Uhr, morgen ab 16 Uhr, Alsterdorfer Sporthalle

Gruppe A: Zenith St. Petersburg, Stabaek IF, Amateur-Vertreter, FC St. Pauli

Gruppe B: Slask Wroclaw, Viborg FF, Trelleborgs FF, Hamburger SV

Anmerkung: Sollten die Amateure des FC St. Pauli sich für den Astra-Cup qualifiziert haben, werden sie in Gruppe B verschoben, um in der Vorrunde nicht gegen die eigenen Profis zu spielen.