Städtebund erpresst Bundesregierung

Die Steuerreform beschert den Kommunen massive finanzielle Verluste. Der Städtebund droht mit tiefen Schnitten ins soziale Netz, wenn der Bund den Gemeinden nicht finanziell unter die Arme greift

BERLIN taz ■ Die Folgen des Finanzdesasters, auf das nicht nur Dortmund seit langem zusteuert, wollte Oberbürgermeister Gerhard Langemeyer (SPD) der Öffentlichkeit nur scheibchenweise präsentieren. Langsam drang aus dem Rathaus, dass die Verwaltung über die Schließung von Bädern, Bibliotheken und Bezirksvertretungen nachdenkt. Der Grund: Die „Westfalenmetropole“ steht vor dem Ruin – wie viele Kommunen, nicht nur im Ruhrgebiet. So wird sich die Zahl der nordrhein-westfälischen Gemeinden ohne ausgeglichenen Haushalt im Vergleich zum Vorjahr auf über 200 verdoppeln. Damit steuert jede zweite Stadt in NRW auf die Schuldenfalle zu. In Sachsen-Anhalt sind es über 40 Prozent.

Als Reaktion auf die Finanzkrise der Kommunen hat der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB) gestern eine sofortige Reform der Gewerbesteuer gefordert. Die Anfang 2001 beschlossene Steuerreform habe die Kommunen allein bei der Einkommensteuer mit Verlusten von 5,5 Milliarden Mark belastet, sagte DStGB-Präsident Roland Schäfer gestern in Berlin. Die Einnahmen aus der Gewerbesteuer seien um 2,6 Milliarden Mark gesunken. Grund dafür seien neben dem Konjunktureinbruch neue Abschreibungsmöglichkeiten der Unternehmen sowie ein erhöhter Anteil des Bundes an der Gewerbesteuer.

Eindringlich warnte Schäfer vor den Folgen der kommunalen Finanzkrise: Die städtischen Investitionen seien mit 22,5 Milliarden Euro auf ein Nachkriegstief gefallen. Die Städte hätten alle Sparpotenziale ausgeschöpft, jetzt drohten die Verrottung der kommunalen Infrastruktur und tiefe Einschnitte ins soziale Netz, etwa durch Kürzungen der Mittel für Kindergärten oder bei der Sozialhilfe. „Es ist fünf nach zwölf. Wir müssen die Ansprüche an den Sozialstaat senken und die Vollkasko-Mentalität der Bevölkerung abbauen“, sagte Schäfer.

Langfristig hält der DStGB aber eine Reform der Gemeindefinanzierung nötig. Die Versorgung von Langzeitarbeitslosen, die derzeit über die kommunal finanzierte Sozialhilfe abgesichert würden, sei ebenso Aufgabe des Bundes wie die Versorgung von Asylbewerbern. Aus Kostengründen müsse die Dauer der Asylverfahren nach Ansicht des DStGB deutlich gesenkt werden. Da das im August vorgelegte Zuwanderungsgesetz der Bundesregierung dies nicht leiste, lehnt der kommunale Spitzenverband den Entwurf ab.

Angesicht der hohen Verschuldung von Bund und Ländern reichten Umschichtungen innerhalb der öffentlichen Haushalte allerdings nicht aus, betonte Schäfer anschließend noch einmal: „Ohne die notwendigen Einschnitte wird der Sozialstaat zusammenbrechen.“

Verschuldeten Städten wie Dortmund dürften selbst soziale Grausamkeiten kurzfristig kaum weiterhelfen: Die Stadt schiebt seit Jahren ein Haushaltsdefizit vor sich her, dass sich allein im vergangenen Jahr auf über 240 Millionen Mark verdoppelt hat.

ANDREAS WYPUTTA

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