Schweine bluffen nicht . . .

. . . Forscher aber doch? Wieder melden sie einen „Durchbruch“ für die Verpflanzung von Tierorganen auf Menschen

von WOLFGANG LÖHR

Gleich zwei von einander unabhängige Forschergruppen verkündeten einen bedeutenden wissenschaftlichen Durchbruch bei der Herstellung von gentechnisch veränderten Schweinen, die in der Zukunft einmal als Organ- oder Gewebespender dienen sollen. Noel, Angel, Star, Joy und Mary heißen die fünf geklonten Ferkel, die am ersten Weihnachtstag in einem Labor des Biotech-Unternehmens PPL Therapeutics in Blacksburg, im US-Bundesstaat Virginia, auf die Welt kamen. Die PPL-Forscher hatten bei den Tieren eins von zwei Genen stillgelegt, die bei einer Verpflanzung von Organen auf Menschen für die Abstoßungsreaktion verantwortlich sind.

Gestern nun, nur einen Tag später, meldete eine andere Forschergruppe einen ähnlichen Erfolg. Das Team unter der Führung von Randall S. Prather von der Universität in Columbia, im US-Bundesstaat Missouri, berichtete im Online-Dienst des Fachmagazins Science, dass es gelungen sei, vier geklonte Ferkel zu erzeugen, bei denen ebenfalls eins der beiden für die Abstoßungsreaktion verantwortlichen Gene ausgeschaltet wurde. Das Projekt wurde gemeinsam mit dem Unternehmen Immerge BioTherapeutics in Massachusetts durchgeführt.

„In vier Jahren“ könnten bereits die ersten klinischen Test durchgeführt werden, heißt es optimistisch in einer Mitteilung von PLL. Eine ähnlich klingendes Versprechen gab PLL-Chef Ron James jedoch schon einmal vor zwei Jahren ab. Nachdem PLL als erstes Unternehmen erfolgreich Schweine geklont hatte, hieß es damals, schon „in vier Jahren“ könnten die ersten klinischen Tests durchgeführt werden.

„Seit fünf, sechs Jahren schon künden die Akteure an, dass die ersten Xenotransplantationen bald stattfinden“, erklärt Bärbel Hüsing vom Fraunhofer-Institut für Systemtechnik und Innovationsforschung (ISI) in Karlsruhe. Doch über Tierversuche sind die Xenotransplantationsforscher bisher nicht herausgekommen.

Die Xenotransplantation – die Übertragung von Gewebe oder Organe tierischen Ursprungs – galt lange Zeit als eine Möglichkeit, den Mangel an Spenderorganen zu überwinden. Nachdem jedoch die Erfolge ausblieben, ebbte vor gut zwei Jahren die Euphorie ab. So reduzierte zum Beispiel der Schweizer Chemiemulti Novartis seine Forschungsprogramme im Bereich der Xenotransplantation drastisch. „In Deutschland schwenkten viele Wissenschaftler auf die Stammzellforschung um“, erklärt die ISI-Forscherin Hüsing.

Beide Forschungsbereiche haben die gleiche Zielgruppe im Auge. Während die Stammzellforscher defekte Organe durch vermehrungs- und entwicklungsfähige Zellen wieder auf Vordermann bringen wollen, sollen bei der Xenotransplantation ganze Organe, Herz oder Nieren beispielsweise, durch tierische Organe ersetzt werden. Schwierigkeiten bereiten dabei vor allem die Abstoßungsreaktionen. Wird ein Tierorgan an den Blutkreislauf eines Menschen angeschlossen, wird schon nach wenigen Minuten durch das Immunsystem des Empfängers der Zerstörungsprozess eingeleitet. Anfänglich gingen die Forscher noch davon aus, dass es genügen würde, diese so genannte hyperakute Abstoßungsreaktion auszuschalten, damit das Organ überleben kann. Doch mittlerweile ist bekannt, dass mehrere Gene und Oberflächenproteine für die Auslösung der Abstoßungsreaktion verantwortlich sind.

PLL spricht davon, dass zusätzlich zu dem jetzt stillgelegten Gen unter anderem noch drei zusätzliche Gene in das Schweinegenom eingeführt werden müssten, um die Abstoßungsreaktion zu verhindern. Vermutlich handelt es sich dabei um menschliche Gene, die dem Organempfänger vorgaukeln sollen, dass es sich nicht um ein artfremdes Organ handelt. Notwendig sei auch, dass noch eine Toleranz für T-Zellen eingebaut werde. Die T-Zellen gehören zum Immunsystem und sind maßgeblich an der Zerstörung körperfremden Gewebes beteiligt.

Beide Forschergruppen haben übrigens bei den jetzt auf die Welt gekommenden Ferkeln das gleiche Gen, GGTA 1 genannt, stillgelegt. Ob auch die gleiche Technik benutzt wurde, gaben die Forscher nicht bekannt. PLL teilte aber mit, dass ihr Verfahren durch Patente abgedeckt sei. In einem nächsten Schritt wollen die PLL-Forscher jetzt Tiere züchten, bei denen beide der normalerweise doppelt vorhandenen GGTA 1-Gene ausgeschaltet sind. Denn nur wenn beide Gene nicht aktiv sind, wird auch das entsprechende Oberflächenprotein, das die Abstoßung auslöst, nicht mehr gebildet.