Keine Party an der Moldau

Groß gefeiert hat die Prager Zeitung ihren zehnten Geburtstag nicht. Dafür war kein Geld da. Mehr Leser täten dem Wochenblatt gut, mehr Inhalt und vielleicht ein großer deutscher Verleger

aus Prag ALEXANDRA KLAUSMANN

Es hätte ein rauschendes Fest geben sollen: Seit nunmehr zehn Jahren erscheint die deutschsprachige Prager Zeitung in der tschechischen Hauptstadt. Grund genug, mal so richtig auf den Putz zu hauen, selbst wenn der in den kleinen Redaktionsräumen eines Prager Kellergeschosses von den Wänden fällt. Der festliche Traum von Chefredakteur und Mitherausgeber Uwe Müller scheiterte am Geld: Keine Catering-Firma wollte gegen Anzeigen in der kleinen Postille kochen und servieren. Der erträumte Empfang wurde zu einem kleinen Treffen in der verrauchten Stammkneipe um die Ecke der Redaktion.

„Das Wochenjournal aus der Mitte Europas“, nennt sich die Prager Zeitung. An Selbstvertrauen scheint es in der Chefetage – außer Müller besteht die noch aus einem fränkischen Möchtegern-Murdoch und einem gescheiterten Bauchladenmann – nicht zu mangeln. Denn außer dem einen oder anderen Artikel von Korrespondenten slowakischer oder polnischer Zeitungen ist von mitteleuropäischem Geschehen wenig zu lesen: vier Seiten Politik, eine Themenseite und eine Sportseite, die die Fußballergebnisse vom Sonntag am Donnerstag, dem Erscheinungstag der PZ, abdruckt. Der Rest sind Wirtschaft und PR-Gespräche mit profilierungssüchtigen Bossen. Dafür belohnen sie die PZ mit Anzeigen.

Die große Hoffnung der Anfangsjahre war, dass sich vielleicht ein großer deutscher Verlag für die Prager Zeitung interessieren könnte. Weil der aber erst mal zwei Millionen in das Blatt stecken und für weitere 200.000 Mark pro Jahr Journalisten nach Prag hätte senden müssen, soll Zeit-„Editor at large“ Theo Sommer die vorsichtigen Annäherungsversuche Müllers abgelehnt haben.

Symptomatisch ist auch die Tatsache, dass Müller Anfang der 90er den Namen des einst berühmten deutschsprachigen Prager Tagblatts (Kisch, Kafka und Werfel schrieben für das Blatt) gekauft und ihn der wöchentlichen Kulturbeilage der Prager Zeitung gegeben hat. Nur, dass diese selbst nach einem komplizierten Layout-Wechsel eher an einen DDR-Katalog für Südfrüchte erinnert. Sie solle sich eben nicht mit dem Prager Tagblatt identifizieren, wurde die zuständige Redakteurin für ihre Verbesserungsvorschläge angeraunzt. Wichtig sei nur, dass es rechtzeitig fertig werde.

Die Gretchenfrage, die eigentlich niemand so richtig beantworten kann, ist: Wer liest die Prager Zeitung? Die offizielle Auflage beträgt 30.000, in Wirklichkeit tun sich aber nur etwa 10.000 Leser pro Woche das Blatt an, meist deutsche Abonnenten und deutschsprachige Geschäftsleute, die kein Tschechisch sprechen.

Die deutschprachigen Touristen, die jedes Jahr die Moldaustadt überfluten, bemerken die Zeitung erst gar nicht oder kaufen sich lieber die englischsprachige Prague Post. Denn die hat wenigstens ein ansprechendes Layout und hochwertige Fotografien zu bieten. „Im Grunde genommen sind mir die Fotos auch scheißegal“, erklärte der PZ-Layouter einst einem Fotografen, als dieser sich darüber beschwerte, das Blatt würde seine Bilder verhunzen.

Seit besagter Bauchladenmann Anfang vergangenen Jahres aus dem Nichts zum stellvertretenden Chefredakteur ernannt wurde, hat sich das Entsetzen über die Entwicklung der Prager Zeitung unter den langjährig mit dem Blatt verbundenen Redakteuren und freien Mitarbeitern nur noch gesteigert. Wie ein verhinderter Bundeswehrgeneral stapft der „Feldwebel“ durch die Redaktion, hat schon Redakteurinnen zum Weinen gebracht, Redakteure auf die Palme, dafür aber auch Praktikantinnen in sein Bett. Seine Devise: Wer muss schon selbst recherchieren, wenn wir aus der tschechischen Presse abschreiben können?

Alexandra Klausmann arbeitete acht Jahre lang für die Prager Zeitung, zunächst als Praktikantin, später als Freie und dann für ein Jahr als Redakteurin