Einnahmen mit Gegenleistung

Die CSU hat ein Spendensystem erfunden, das alle glücklich machte: die Spender,die Partei, den „Bayernkurier“ und die Gratisleser. Trotzdem war es rechtswidrig

Die CSU hat ihre trickreiche Spendenpraxis 1999 eingestellt – die Verantwortlichen werden wissen, warum

Alle Jahre wieder . . . Fast scheint es, als würde die Republik in immer kürzeren Abständen von Parteifinanzierungsskandalen erschüttert. Doch halt – der Kohl-Kanther-Skandal liegt schon zwei Jahre zurück, wenngleich seine gerichtliche und parlamentarische Aufarbeitung immer noch nicht abgeschlossen ist.

Nun wurde also die CSU erwischt, was diese selbstverständlich als Sturm im Wasserglas ansieht, einzig dazu angetan, ihre Lichtgestalt in der Auseinandersetzung um die Kanzlerkandidatur nachhaltig zu verdüstern. Dies geht einher mit der Verwünschung des politischen Gegners, der Verdächtigung des Bundestagspräsidenten Thierse (SPD) sowie der Verketzerung von Parteienrechtsexperten, die das Verhalten der CSU für rechtswidrig halten – auch wenn 1996 die damalige Bundestagspräsidentin Süssmuth (CDU) einen Persilschein ausgestellt hat.

Die CSU vertrieb über Jahre hinweg die ihr gehörenden Hausblätter Bayernkurier und Münchner Brief nicht nur über gewöhnliche Abonnements bzw. den freien Verkauf, sondern auch über so genannte Patenschaftabonnements.

Patenschaftsabos sind aus anderen sozialen Bereichen wohl bekannt. So werben gemeinnützige Organisationen für die Übernahme von Zeitschriftenabonnements, die dann etwa Strafgefangenen zugute kommen. Dies ist anerkannte Praxis, und tatsächlich können solche Patenschaften als Spende von der Steuer abgesetzt werden.

Angesichts dieser Praxis gemeinnütziger Organisationen hatte die Bundestagspräsidentin Süssmuth 1996 die vergleichbare Praxis der CSU zulassen wollen und dies auch als Bundestagsdrucksache veröffentlicht. Nun ist der Bundestagspräsident zwar als staatliche Stelle, die die Rechenschaftsberichte der Parteien entgegenzunehmen hat, der erste Interpret der parteigesetzlichen Normen. Er ist jedoch keineswegs unfehlbar – was übrigens auch die CDU gerne betont, durch Anrufung der Gerichte, wenn es um die Entscheidung des Bundestagspräsidenten Thierse geht, wegen des verschleierten Vermögens der hessischen CDU Millionen an Steuergeldern zurückzufordern.

Über Thierses Vorgehen ist gerichtlich noch nicht befunden worden – doch dass die Gesetzesinterpretation von Frau Süssmuth fehlbar war, dafür lassen sich gute Argumente finden: Patenschaftsabonnements des CSU-eigenen Bayernkuriers stellen sich rechtlich grundsätzlich anderes dar als Abos zugunsten von Arbeitslosen. Denn Parteien, obgleich natürlich von Nutzen für das Gemeinwohl, sind keine „gemeinnützigen Organisationen“, sondern werden vom Grundgesetz mit bestimmten Rechten und Pflichten belegt. So ist es Pflicht, die Einnahmen im jährlichen Rechenschaftsbericht korrekt auszuweisen; zu den Rechten gehören die Möglichkeit, Spendenquittungen auszustellen, sowie die staatliche Parteienfinanzierung.

Das Abonnieren des „Bayernkuriers“ zugunsten Dritter ist keine Spende, sondern ein Kaufvertrag

Aufgrund eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts bezuschusst der Staat Parteienspenden bis zu einer Höhe von 6.000 Mark mit jeweils 50 Pfennig pro Mark. (Jedenfalls theoretisch. Weil die Gesamtfinanzierung aller Parteien gesetzlich auf 245 Millionen Mark im Jahr begrenzt ist, waren es in der Praxis etwa 37 Pfennig pro Spendenmark.)

Durchaus tricky, ersann die CSU nun ein System, das alle glücklich machte: die Patenschaftsbegünstigten, etwa Studentenwohnheime, die den Bayernkurier umsonst bekamen, die Paten, die die Spendenquittungen bei der Steuererklärung einreichen konnten, und schließlich die CSU selbst, die vom Staat als Parteizuschuss noch einmal fast die Hälfte des Abos einnahm – und das, ohne viel Überzeugungsarbeit leisten zu müssen, weil man sich professioneller Drücker bediente.

Schon der Einsatz der Drücker wirft ein ungutes Licht auf die CSU: Denn ob sich dieser mit den verfassungsrechtlichen Aufgaben einer politischen Partei vereinbaren lässt, ist sehr fraglich. Dass die Drücker auch noch die Hälfte der Einnahmen aus den Patenschaftsabos erhielten, hinterlässt einen sehr schalen Geschmack – insbesondere, wenn man der Argumentation der CSU folgt, dass es sich bei der Übernahme eines solchen Abos um eine Parteispende gehandelt habe. Die Paten wären sicherlich nicht so freigebig gewesen, hätten sie gewusst, dass 50 Prozent ihrer Mittel der CSU gar nicht zugute kommen.

Aber auch rein rechtlich ist das Verhalten der CSU zu beanstanden: Die CSU ist als Partei keine gemeinnützige Organisation im klassischen Sinne. Gemeinnützige Organisationen erhalten keine staatlichen Zuschüsse für Spenden. Und das Abonnieren einer Parteizeitung zugunsten Dritter ist keine Spende, sondern ein Kaufvertrag zugunsten Dritter, denn Spenden erfolgen ohne Gegenleistung. Das Ausstellen einer Parteispendenquittung zugunsten des Käufers eines Abos ist daher nicht im Sinne des Einkommensteuergesetzes, das bei Parteispenden eben von Einnahmen ohne Gegenleistung ausgeht. Im Ergebnis wurden also unberechtigt Spendenquittungen ausgestellt, damit der Pate im Nachhinein die Hälfte der Abokosten vom Staat zurückerhält.

Darüber hinaus bereicherte sich die CSU durch die Verbuchung der Abokosten als Spende auch noch an den staatlichen Zuschüssen. Doch eigentlich hätte die CSU den Verkauf ihres Blattes unter dem Titel „Einnahmen aus dem Vertrieb von Druckschriften“, den das Parteiengesetz im Unterschied zum Recht gemeinnütziger Organisationen kennt, verbuchen müssen – für diesen Titel gibt es aber keine staatlichen Zuschüsse.

Auch eine Bundestagspräsidentin kann sich bei der Interpretation des Parteiengesetzes irren

Man mag der CSU durchaus zu ihrem Einfallsreichtum gratulieren, das Parteiengesetz trickreich zu umgehen – billigen darf man es nicht. Denn auf der Strecke bleibt die politische Kultur. Natürlich hat die CSU ihr Gebaren 1999 eingestellt – und die Verantwortlichen dürften auch gewusst haben, warum. Dennoch hat sich die CSU über Jahre schlicht auf den Süssmuth’schen Persilschein verlassen, anstatt das in letzter Zeit so oft betonte politische und rechtliche Gewissen anzustrengen.

Wieder einmal werden viele Bürger resignierend sagen: Es sind ja doch alle gleich. Wieder einmal wird das allgemeine Rechtsbewusstsein leiden: Buchstabenjuristerei gegen Sinn und Zweck von Gesetzen, wie sie die CSU in der öffentlichen Meinung nun durchzusetzen versucht, wird dann auch legitim für den einzelnen Bürger. Aber Hund’ san s’ scho. THILO STREIT