Kampf gegen die Brücke

■ Weserquerung: Eine Bürgerinitiative mobilisiert Seehausen gegen eine Brücke für die A 281 / SPD und Grüne: „Genau abwägen, ob Brücke oder Tunnel“

Rund 130 Seehausener waren zusammengekommen – sie haben Angst. Angst vor einer hohen Brücke mitten durch den Ort.

Die Weserquerung der Autobahn A 281 soll nämlich durch Seehausen führen. Oder unter dem Ort her geleitet werden. Davon sind die EinwohnerInnen lange ausgegangen: „Seit zwanzig, dreißig Jahren ist die Rede vom Wesertunnel“, ärgert sich Hilmer Hagens, zweiter Sprecher der BürgerInnen-Initiative „Gegen die Brücke“ in Seehausen. Er fühlt sich von der Politik getäuscht: „Auch in der Koalitionsvereinbarung ist die Rede vom Wesertunnel. Jetzt soll auf einmal die Brücke kommen“.

Der SPD-Baudeputierte Carsten Sieling will sich noch nicht festlegen: „Ich bin ganz und gar nicht entschieden, was zu tun ist. Es gibt sowohl für die Brücke als auch für den Tunnel Argumente.“ Er wolle sich mit seiner Meinungsbildung an einem Gutachten orientieren, das die Bausenatorin Christine Wischer (SPD) in Auftrag gegeben hat. Im Januar oder Februar solle es fertig werden, so Sieling.

Die grüne Baupolitikerin Karin Krusche will, dass die beiden Alternativen – Brücke oder Tunnel – „ernsthaft und ergebnisoffen geprüft“ werden. Allerdings nennt sie zunächst Argumente für die Brücke: Ein Tunnel sei in Bau und in der Unterhaltung „ungleich viel teurer“ – wegen der nötigen umfassenden Sicherheitsvorkehrungen, die ein Tunnel benötige, und der ständigen Beleuchtung. Dem Argument, eine Brücke benötige eine lange, den Ortskern zerschneidende Anfahrtsrampe, hält sie entgegen, auch ein Tunnel käme nicht ohne Anfahrtswege aus.

Dennoch betont sie, sie wolle mit den AnwohnerInnen die Ergebnisse des Gutachtens diskutieren. Vielleicht könnten auch ein Tunnel- und ein Brückenbauspezialist in den Beirat eingeladen werden, um den Menschen ihre Ängste zu nehmen, überlegt Krusche.

Mit ihrem „ergebnissoffenen“ Herangehen relativiert sie die Aussage ihrer Fraktionsvorsitzenden Karoline Linnert, die vor wenigen Tagen gegenüber der taz erklärt hatte, die Grünen würden eine Brücke für die Weserquerung bevorzugen. Linnerts Argumente: Ein Tunnel sei störanfälliger, etwa bei Unfällen, man müsse die Abluftprobleme bewältigen, und er verursache nicht nur höhere Bau- sondern auch Folgekosten für die Beleuchtung und die Wartung.

Das Misstrauen in den Reihen der Seehausener ist in jedem Fall groß: „Ich glaube Herrn Sieling und Frau Krusche erst mal nicht“, stellt Hagens klar. In der SPD-Position sieht er eine Hinhaltetaktik. „Die wollten sich eigentlich möglichst lange gar nicht äußern, aber jetzt drängt die Bürgerinitiative sie dazu.“ Der Kassenwart der Bürgerinitiative, Bernfried Pieper sieht in Bürgermeister Henning Scherf und dem Landesvorsitzenden der SPD, Detlev Albers, Brückenfürsprecher. Die Initiative befürchtet, dass das Kosten-Argument ausschlaggebend für eine Brücke sein wird. Dafür wurden bislang Ausgaben von 282 bis 300 Millionen Mark veranschlagt, für einen Tunnel 325 bis 374 Millionen.

Bernfried Pieper argumentiert gegenüber Krusche, dass bei einem Tunnelbau das Eintauchen unter die Erde und das Wiederauftauchen der A 281 in deutlich größerer Entfernung von Seehausen erfolgen würde, als die Auffahrt auf die Brückenrampe, die – je nach Steigung – 680 bis 1.200 Meter lang sein müsste, bis man den höchsten Punkt der Brücke erreicht habe. Welche Abgase Lastwagen an einer solchen Steigung auf Seehausen blasen würden, könne man sich wohl vorstellen.

Hagens sagt, dass er zwar bei einem Gesprächsangebot wie dem von Karin Krusche diskussionsbereit sei, die Grünen aber nicht ernst nehmen könne, wenn sie sich für eine Brücke aussprächen.

Die Positon der Grünen versteht auch der CDU-Mann und Sprecher der Baudeputation Helmut Pflugradt nicht. Er scheint derzeit der einzige zu sein, der sich klar auf die Seite der Seehausener stellt: „Der Ortsteil würde durch eine Brücke zerstört. Und die Kosten müssen erst einmal untersucht werden. Auch eine Brücke hat Folgekosten.“ Außerdem sei ihm wichtig, dass die Weserquerung auch genutzt werden könne. „Bei den Windverhältnissen hier in der Gegend und einer Brückenhöhe von über 60 Metern kann die Benutzung schnell eingeschränkt werden.“

In Seehausen ist die Position jedenfalls klar: Rund 100 Leute wollen mittlerweile bei der BürgerInnen-Initiative mitarbeiten. Das sind etwa zehn Prozent der GesamteinwohnerInnenzahl von Seehausen. Außerdem hätten sich 75 Prozent aller Wahlberechtigten an der Unterschriftensammlung gegen die Brücke beteiligt, sagt Hagens

Gemeinsam mit seinen Mitstreitern will er erbitterten Widerstand gegen eine Brücke leisten: sowohl mit Demonstrationen als auch auf dem juristischen Weg. Für die Initiative sind laut Hagens alle Formen der Gegenwehr denkbar.

Ulrike Bendrat