Schöner wohnen im Friedrichshain

Zwischen Voyeurismus und Raumpflege: Die „two fish“-Gruppe zeigt ihr neues Stück zu den Tanztagen in einer Privatwohnung

„Brombeerblätter“ soll er sagen, der große Junge mit den ausgeleierten Leggings. Er spült die Tassen. Er geht in ein anderes Zimmer und misst es mit langen Schritten ab.

„Christiane Müller, Gabriel-Max-Str. 2, 1. OG links“ ist ein Wohnungstanzstück von Angela Schubot und Martin Clausen, das sich konsequent auf seinen Spielort einlässt. Fünf Tänzer versuchen sich in fünf Räumen am „normalen Leben“. Da sind drei Leute gleichzeitig im Bad, waschen sich, urinieren. Jemand steht vor dem Fenster und flüstert in die Nacht, jemand liegt wie leblos auf dem Bett und springt dann auf und dreht sich furios. Es scheint, als sprächen die Figuren mit der Wohnung, als fragten sie die Wände nach der eigenen Person, als hofften sie auf ein Zeichen der Außenwelt .

In einzelnen Bewegungsparts tanzen sie ihre Miniatursoli, brechen sie ab und folgen einem Impuls, der sie von einem Zimmer ins andere führt. Niemand scheint in dieser 80-Quadratmeter-Wohnung angekommen zu sein. Die Blonde (Verena Fleißner) erzählt von ihrer Kindheit, davon, wie wichtig es ihr war, schön zu sein, um sich geliebt zu fühlen. „Wenn man schön ist und an einem guten Platz, dann wird man gesehen.“ Das ist wichtig.

Die Isolation verschwindet für kurze Zeit, als man sich bei Michael Jacksons „Billie Jean“ zu einem Gruppentanzbild mit Anbaggerposen und Gute-Laune-Grimassen zusammentut. Da zählt nur der Disco-Groove.

„Christiane Müller, Gabriel-Max-Str. 2, 1. OG links“ ist ein gelungener Beitrag des „two fish“-Duos Schubot/Clausen zu den Tanztagen. Wer das „ausgelagerte“ Stück sehen will, muss – wegen der begrenzten Zuschauerzahl – vorher in den Sophiensælen eine Karte kaufen, nach Friedrichshain fahren, sich die Straßenschuhe ausziehen und in bereitgelegten Schlappen den fünf Darstellern hinterherlaufen. Man hält sich im Türrahmen auf, drückt sich an der Wand entlang und weicht herabstürzenden Metallregalen aus. Das ist prima. Der Zuschauer soll sich selbst bewegen und ihm fremde Personen beim Herumliegen, Duschen oder Pipimachen beobachten. Der Darsteller ist nicht durch Distanz geschützt, sondern spielt ganz dicht vor unserer Nase. Der Zusammenhang von Exhibitionismus und Voyeurismus wird erfahrbar. Denn was wir aus nächster Nähe sehen, sind die Dinge, die wir in unseren Wohnungen tun. Und nicht zeigen wollen. JANA SITTNICK

Bis 8.1. täglich 18, 19.15 und 21 Uhr, Gabriel-Max-Straße 2, Friedrichshain