BERLUSCONI SERVIERT EUROPAFREUNDLICHEN AUSSENMINISTER AB
: Signal für Italiens rechte Hardliner

Nein, natürlich werde sich an Italiens außenpolitischer Linie mit dem De-facto-Rausschmiss von Außenminister Renato Ruggiero gar nichts ändern, versicherte die Berlusconi-Partei Forza Italia. Die Frühverrentung des überzeugtesten Europäers im Kabinett wird also als Beweis der unverbrüchlichen Europabindung Italiens verkauft. Das ist Dialektik im Berlusconi-Reich, an die wir uns wohl werden gewöhnen müssen.

Denn Berlusconi hat aus seinem Scheitern von 1994 gelernt. Er hat nicht seine Politik geändert, sondern sein Politikmarketing. Statt dröhnend angeberischer Sprüche gab es nach dem Wahlsieg 2001 erst mal leise versöhnliche Töne. Klar, Italien sollte seine „Revolution“ erleben, und alles sollte anders werden als bisher – aber auf gewohnten Bahnen. So bekamen nicht nur die internationalen Partner „Kontinuität“ versprochen, auch zu Hause präsentierte sich Berlusconi auf Samtpfoten. Verbalen Respekt und „Dialogangebote“ gab es für die Opposition genauso wie für die Gewerkschaften oder für die Berlusconi verständlicherweise verhassten Staatsanwälte.

Wer diesen Schmusekurs jedoch als Distanzierung vom radikalen Wendeprogramm des Wahlkampfs oder von den Radikalinskis in den Reihen der Koalition verstand, lag falsch. Wenn Berlusconi sich jetzt mit der Abservierung Ruggieros auf die Seite Umberto Bossis schlägt, dann sendet er seinen innenpolitischen Partnern wie Gegnern ein klares Signal: „Kontinuität“ betrifft tatsächlich bloß die Form, nicht aber die Substanz seiner Politik. Das werden die Gewerkschaften bald zu spüren bekommen. Ganz freundlich wird Berlusconi ihnen „im Dialog“ erklären, dass jetzt der Kündigungsschutz rasiert und die Renten privatisiert werden. Die Gewerkschaften werden ihren Dissens zu Protokoll geben – und die Rechtsregierung wird sich keinen Deut darum scheren.

Ähnlich dialogbereit geht Berlusconi die Privatisierung des Schulwesens, die Neufassung des Ausländerrechts, die Reform der Justiz und schließlich die Neuschreibung der Verfassung an: Die Tauben in der Koalition sind für folgenlose Dialogübungen zuständig, die Falken dagegen schaffen die Fakten. Dass mit Ruggiero der Minister abhanden gekommen ist, der dieses Prinzip auf internationalem Parkett verkörperte, wird der Premier verschmerzen können. Schwierig für Berlusconi wird es erst, wenn seine politischen und sozialen Gegenspieler in Italien zu einer entschlossenen Opposition gegen seine Politik finden. MICHAEL BRAUN