Rücktritt wegen Euro in Italien

Außenminister und Europabefürworter Ruggiero ist nach einem öffentlichen Schlagabtausch mit Ministerpräsident Berlusconi nicht länger im Amt. Gesucht wird nun ein international respektierter Nachfolger, der zugleich bedingungslos loyal ist

aus Rom MICHAEL BRAUN

Es war halb Rücktritt, halb Rausschmiss: Am Samstagabend erklärten Renato Ruggiero und Silvio Berlusconi in einer Pressemitteilung, „im gegenseitigen Einvernehmen und im Interesse des Landes“ sei die Zusammenarbeit zwischen Außenminister und Regierungschef beendet.

Wie es sich für einen Auflösungsvertrag gehört, ist der Ton ebenso herzlich wie grotesk. „Bedeutend, ertragreich und bis heute positiv“ sei das Zusammenwirken gewesen, und natürlich lobt Ruggiero Berlusconi für die „erhaltene Unterstützung“, während Berlusconi Ruggiero „wärmstens für sein Wirken im Interesse des Landes dankt“. Sogar die kühne Behauptung, Ruggiero habe „immer die kohärent von Ministerpräsident Berlusconi zum Ausdruck gebrachte Linie geteilt“, müssen wir da lesen.

Trotz der Politbüro-Prosa ist es aber kein Geheimnis, dass ziemlich genau das Gegenteil wahr ist. Ruggiero ließ wissen, „nichts mehr gemein“ habe er „mit dieser Koalition“, und aus Berlusconis Entourage sickerte „tiefe Enttäuschung“ über den Außenminister und seine „persönlichen Eitelkeiten“ durch.

Überraschend schnell fand so der schon seit Monaten schwelende und in der letzten Woche mit einem Zeitungsinterview Ruggieros offen ausgebrochene europapolitische Richtungsstreit in der italienischen Regierung eine Klärung. Ruggiero hatte in den Tagen der Einführung des Euro seinen Kabinettskollegen vorgeworfen, sie hätten ein „Trauerspiel“ inszeniert: Aus der Regierung sei keine einzige positive Äußerung zum Euro zu hören gewesen; allein die Europaskeptiker hätten sich zu Wort gemeldet. Ruggieros Kritik war eine reine Sachstandsbeschreibung. So hatte Umberto Bossi, Chef der Lega Nord und Minister für Verfassungsreform, mitgeteilt, der Euro sei ihm herzlich egal, während Verteidigungsminister Antonio Martino (Forza Italia) gleich das Scheitern der gemeinsamen Währung prognostizierte.

Ruggieros Versuch, mit seinem Interview ein Machtwort Berlusconis zu erzwingen, hatte Erfolg – allerdings nicht in der gewünschten Richtung. Der Ministerpräsident nämlich teilte seinem Außenamtschef wiederum per Interview mit, er sei bloß „Techniker“ und dürfe mithin die Politik exekutieren, die Berlusconi ihm vorschreibe.

Ruggiero erfuhr so, dass er die Geschäftsgrundlage missverstanden hatte, auf der er im letzten Juni als Außenminister engagiert worden war. Der Karrierediplomat und ehemalige WTO-Direktor sollte Kontinuität in Italiens Außenpolitik verkörpern; seine hervorragenden Beziehungen im Ausland genauso wie in der Welt des Großkapitals sollten der neuen, international umstrittenen Regierung den Rücken freihalten. Zu keinem Zeitpunkt aber konnte Ruggiero beanspruchen, tatsächlich die Federführung in der Außenpolitik zu haben. Als er eben diese Rolle in einem weiteren Interview am Samstag reklamierte und die Heruntergruppierung zum technischen Angestellten zurückwies, war sein Aus gekommen.

Auch wenn die Europaskeptiker sich damit vorerst durchgesetzt haben, dürfte wohl kaum einer von ihnen Ruggieros Posten übernehmen. Erneut setzt Berlusconi auf das gerade gescheiterte Modell: Er sucht nach einer international respektierten, Vertrauen erweckenden Persönlichkeit. Anders als Ruggiero soll der Nachfolger sich aber um einen echten Spagat bemühen: Berlusconis Außenpolitik geschickt verkaufen, statt sie an sich zu reißen. Als idealer Kandidat erscheint deshalb Gianni Letta, Staatssekretär im Amt des Ministerpräsidenten. Letta ist ebenso verbindlich im Auftreten wie bedingungslos Berlusconi-loyal in der Sache.