Die Bühnentauglichkeit allein reicht nicht

Hauptstadtkultur vor Neuanfang. Diesmal versucht sich die PDS und womöglich mit Gregor Gysi. Sein Image bei Kulturschaffenden ist umstritten

Es gehört wohl zum Job eines Berliner Kultursenators, mit Anleihen aus der Welt des Theaters „geschmückt“ zu werden. „Bühnenterminator“ wurde Ulrich Roloff-Momin genannt. Stölzl erhielt für seine berühmt-berüchtigte Beredsamkeit den Titel des Entertainers. Und Regisseur Claus Peymann machte aus Peter Radunski den „Zigeunerbaron“.

Auch Gregor Gysi, sollte er das Amt des PDS-Kultursenators übernehmen, hat bereits sein Fett weg. Der frühere SPD-Kulturstaatsminister Michael Naumann macht keinen Hehl aus dessen Bühnentauglichkeit. „Als Schauspieler in einem Berliner Theater würde ich ihm eine große Zukunft voraussagen. Aber für die Stadt selbst halte ich ihn für keine fruchtbringende Entscheidung“, befand Naumann kritisch.

Naumanns Verdikt über Gysi teilen auch Berliner Kulturschaffende, die von Adrienne Goehlers sachlich und fachlich kompetenter Arbeit in den vergangenen Monaten überzeugt waren. Mit Skepsis blickt etwa der Rat der Künste auf einen kommenden Kultursenator Gregor Gysi, sollte sich der für die Besetzung des Amtes entscheiden.

Auch in der freien Szene bangt man um die gerade erfolgreich verteidigten Interessen nötiger Subventionen, definiert Gysi doch seine Aufgaben in erster Linie für den Aufbau einer „Kulturhauptstadt“. Will sagen: Die Berliner Kulturpolitik unter dem PDS-Politiker wird maßgeblich mit dem Bund und Kulturstaatsminister Julian Nida-Rümelin über einen neuen Hauptstadtkulturvertrag und zusätzliche Millionen Euro für die Berliner Museumsinsel, die Opernhäuser, die Schlossplatzbebauung und die Finanzierung weiterer „Leuchttürme“ wie die Topographie des Terrors oder das Haus der Kulturen der Welt streiten.

Für Gysi, den Selbstdarsteller und Talkrundenstar, mag dies das rechte Parkett sein, sich in Szene zu setzen. Die Bonmots, der intellektuelle Esprit und der bildungsbürgerliche Anspruch indessen reichen nicht aus, die Berliner Kultur mit einem Minimaletat von knapp 380 Millionen Euro und einer zusätzlichen Sparvorgabe von 10 Millionen Euro wieder auf die Beine zu bringen.

Zwar hat Gysi angekündigt, keine weiteren Einsparungen hinnehmen zu wollen und programmatisch sich vor die Bühnen der Stadt gestellt. „Die Schließung einer Oper ist antizivilisatorisch.“ Kultur sei kein Luxus und kein „Sahnehäubchen“. Allerdings warten auf den Kultursenator die Schließung des Schlosspark-Theaters und die Privatisierung des Theaters des Westens.

Zugleich wird die überfällige Strukturreform an allen Berliner Theatern nicht ohne deutliche Personaleinsparungen und Tarifveränderungen zu verwirklichen sein. Keinen Schauspieler, sondern einen harten Verhandler und Interessenvertreter mit klugen Ideen und Konzepten brauchen auch die freie Szene, die innovativen Gruppen, die Denkmalschützer und speziell die bezirklichen Kulturämter, deren finanzieller Spielraum immer enger wird, wenn sie nicht schon zur Bedeutungslosigkeit kaputtgespart worden sind.

Gregor Gysi hat sich dazu niemals konkret geäußert, ebenso nicht zum Wissenschaftsbetrieb an den Hochschulen, der auch zu seinem Ressort gehören würde. Mit Goehler war die Hochschulverwaltung von einer Fachfrau geleitet worden, die die Strukturen kannte. Der PDS-Politiker kennt hiervon nicht einmal die nötigen Regieanweisungen.ROLA