IM KASCHMIR-KONFLIKT KANN DIE WELT NICHT PASSIV BLEIBEN
: Die Internationalisierung des Terrors

„Ich bin nicht in der Lage, diesen Streit zu lösen“, erkannte Tony Blair in Islamabad. Er fügte sich damit der zwingenden Logik, dass eine Vermittlung nur möglich ist, wenn beide Streitparteien sie wollen. Indien lehnt aber jede Vermittlung im Kaschmir-Konflikt ab, weil es fürchtet, damit indirekt die alten UN-Resolutionen anzuerkennen, die eine Volksbefragung in Kaschmir vorsehen. Aus eben diesem Grund hat Pakistan immer wieder eine internationale Einmischung gefordert, in der – inzwischen fraglichen – Annahme, dass sich die muslimische Mehrheit Kaschmirs in den Schutz des islamischen Nachbarn stellen will.

Einerseits ist eine Vermittlung tatsächlich abwegig, weil es um mehr geht als Demarkationslinien und Territorien. Kaschmir berührt das Selbstverständnis der beiden Nationen. Ein Anschluss an Pakistan würde die Legitimation dieses Staates stärken, der sich als Heimat aller Muslime des Subkontinents versteht. Spiegelbildlich würde ein Verlust Kaschmirs das säkulare Indien erschüttern. Indien und Pakistan sind sich nur in einem einig: Kaschmir darf nicht unabhängig werden.

Andererseits ist eine internationale Verwicklung in den Kaschmir-Konflikt unausweichlich. Nicht erst mit der atomaren Bewaffnung beider Kontrahenten hat der Konflikt die Definition eines Lokalkriegs gesprengt. Es bedurfte auch nicht der Terroranschläge vom 11. September, um der Welt klar zu machen, dass regionale Streitigkeiten ein globales Sprengpotenzial haben. Die Konflikte in Palästina und Nordirland nähren sich seit Jahrzehnten von einem Netzwerk, das sich zu einer Internationalen des Terrors entwickelt hat. Und die Nähe zwischen dem Terrornest Afghanistan und Kaschmir – verkuppelt durch einen zynischen pakistanischen Geheimdienst – hat gezeigt, dass Terrorismus immer grenzüberschreitend ist.

Für die beiden Streithähne hat der 11. September die Bewertung einer internationalen Einmischung umgekehrt. Pakistan hat erfahren, dass sie sehr unangenehme Folgen haben kann. Und Indien beginnt einzusehen, dass es der internationalen Anti-Terror-Koalition weniger um 50 Jahre alte UN-Resolutionen geht als um die Sicherheitsratsresolution 1373 aus dem Jahr 2001. BERNHARD IMHASLY