Der kleine Auftritt

Kanzlerkandidatenaspirant Edmund Stoiber und seine CSU vermeiden auftrumpfende Töne gegen die Konkurrentin

aus Wildbad Kreuth PATRIK SCHWARZ

Die Pressekonferenz in Wildbad Kreuth war kaum vorüber, da bekam CSU-Generalsekretär Thomas Goppel einen Anruf aus Berlin. Am anderen Ende der Leitung war sein CDU-Kollege Laurenz Meyer. Eine Eilmeldung der Nachrichtenagentur dpa hatte Angela Merkels treuesten Vasallen aufgeschreckt. Die CSU bitte offiziell um die Unterstützung der Schwesterpartei für Edmund Stoiber als Kanzlerkandidaten, hieß es da von der Pressekonferenz des CSU-Landesgruppenchefs Michael Glos. Stoiber bittet? Offiziell? Meyer ersuchte um Aufklärung. „Es gibt keinen Beschluss“, beschied der eine General den anderen. Auch Glos beteuerte zehn Minuten später, so förmlich sei das mit der Bitte um Unterstützung nicht gemeint gewesen.

Nur gut, dass die zwei Generäle von CDU und CSU keine echten Armeen befehligen. Seit am Wochenende Edmund Stoiber und Angela Merkel öffentlich ihren Willen zur Kandidatur bekundeten, reichen Halbsätze aus, um in der Union Scharmützel auszulösen. Vor allem Stoibers Mannen mühen sich jetzt nach Kräften, auftrumpfende Töne zu vermeiden. Machtkampf? Gott bewahre! Man befinde sich jetzt „in einer Phase der direkten Meinungsbildung“, sagt eine CSU-Größe. Die Zurückhaltung ist zur Hälfte Taktik, zur Hälfte Ausdruck einer Verunsicherung, die bis hin Glos’ Pressekonferenz spürbar war. Allmählich dämmert der CSU, dass Stoiber wesentlich abhängiger von Merkel ist als umgekehrt. Erst wenn sie verzichtet, ist der Weg für ihn frei – schließlich fordert der Bayer ausdrücklich die Unterstützung der gesamten Union für die Kanzlerkandidatur.

Generalsekretär Thomas Goppel hat gestern sogar eine Formel wieder hervorgekramt, die er in den letzten Wochen, als es zunehmend ernst wurde, eher vermieden hatte: „Hier reißt sich niemand um den Job.“

Gleichzeitig wurde Glos nicht müde, die vielen schönen Posten anzupreisen, die es nach einem Stoiber-Sieg bei der Bundestagswahl zu verteilen gebe. Welcher genau für eine fügsame CDU-Vorsitzende abfallen soll, mochte er nicht enthüllen. Ein Gerüchtekoch wollte sie zur Bundespräsidentin ernennen, andere hielten Bundestagspräsidentin für ausreichend. Dass Merkel mitnichten vorhat, dem Drängen und Locken der CSU nachzugeben, zeigte spätestens ihr Auftritt bei einer ARD-Talkshow am Montagabend. Während die CSU-Landesgruppe mit dem Präsidenten des Club of Rome über Ökologie und Überbevölkerung diskutierte, startete eine stark geschminkte CDU-Vorsitzende eine bundesweite Charmeoffensive. „Muss ein CSUler so was sehen?“, fragte vergrätzt Peter Ramsauer, der Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Bundestag.

Edmund Stoiber, das zeigte sich in Kreuth einmal mehr, tut sich schwer mit dem großen Auftritt. Obwohl seine Helfer den gestrigen Dienstag zu seinem Tag erklärt hatten, scheute er die Kameras. Die einstündige Pressekonferenz fand ohne ihn statt. Lediglich am Morgen gab er im Schnee vor der Tagungsstätte eine längliche Erklärung ab, die mit einigem Wohlwollen als „Kanzlerrede“ gewertet werden kann, weil außer dem Thema Bayern auch noch Ostdeutschland und die Bildungspolitik Erwähnung fanden.

Die Strategen der CSU richten ihre Hoffnung bereits auf die nächste Klausurtagung: In Magdeburg trifft sich am Freitag und Samstag der Bundesvorstand der CDU. Dort, so hofft der Stoiber-Freundeskreis, werde Angela Merkel schon von den eigenen Leuten ausgebremst. Aus dem Merkel-Lager heißt es dagegen, „wir machen uns über Magdeburg wenig Sorgen.“ Rheinland-Pfalz, Niedersachsen und mit Abstrichen Schleswig-Holstein zählt man zu den eigenen Truppen, vor allem aber Nordrhein-Westfalen. „Der CDU-Landesverband in NRW ist größer als die CSU, die NRW-Landesgruppe im Bundestag größer als die CSU-Landesgruppe“, wird in Berlin gegen München gestichelt.

Einig sind Merkel und Stoiber sich inzwischen immerhin beim Zeitplan für ihr Gespräch. „Das ist so vereinbart, dass das nach den beiden Klausurtagungen stattfinden wird“, sagte der CSU-Chef gestern.

Für das Verfahren empfahl Michael Glos im winterlichen Kreuth die Vierschanzentournee als Vorbild. Da würde schließlich auch kein Bewerber vorab zum Verzicht aufgefordert, so der Bayer. „Am Ende hat jemand gewonnen, alle gratulieren ihm – so wollen wir das auch machen.“