Männer wissen, wie Frauen zu sein haben

■ „Carmen“ – die erfolgreiche Inszenierung von Karin Beier – kehrt zurück

Legendär der Mythos, legendär die Oper und fast ebenso legendär diese Aufführung und Besetzung in Bremen: Im Februar 1997 hatte „Carmen“ von Georges Bizet, die meist gespielte Oper der Welt, Premiere am Bremer Theater. Fredrika Brillembourg als Carmen und Bruce Rankin als Don José entwickelten so etwas wie das, was man im Kino Traumpaar nennt – das war den beiden auch schon in Massenets „Werther“ gelungen. Sie führten die von Günter Neuhold ungemein inspiriert geleitete Aufführung binnen kürzester Zeit zu einem solchen Erfolg, dass man schon von „Kult“ sprach: 43 mal wurde das Werk in drei Spielzeiten gespielt.

Karin Beier, erfolgsgekrönte Schauspielregisseurin besonders in Sachen Shakespeare, musste in ihrer ersten Operninszenierung gegen eine Fülle von berühmten Carmenbildern angehen: Der elementare Ballett-Film von Carlos Saura, die ebenfalls verfilmte Inszenierung von Peter Brook, aber auch die von Jean-Pierre Ponelle haben Carmen-Geschichte geschrieben.

Der Erfolg von Karin Beiers Arbeit, sicher ein besonderes Highlight in der Reihe der innovativen wie erfolgreichen Operninszenierungen unter Klaus Pierwoß, veranlasste den Generalintendanten, sich eine Wiederaufnahme zu wünschen. Und die findet nun am kommenden Sonntag statt: Zurück kommen Fredrika Brillembourg, inzwischen in freien Engagements, und Bruce Rankin.

Beier und Brillembourg entwickeln eine moderne Frau, deren Begegnung mit José nicht Schicksal, sondern Zufall ist, die liebt und die verzweifelt merkt, dass diese Liebe nicht funktionieren kann. Sie scheitert an der Bürgerlichkeit des Muttersöhnchens José und dessen Gewaltpotential. „Wir wollen Widersprüche“, sagte Beier damals in einem Interview, „Männer finden viel eher, wie Carmen zu sein hat“. Karin Beier hat, wie sie erzählte, viel aus der Improvisation und der unglaublichen Energie der beiden Hauptdarsteller entwickelt. „Sie schlug zu Beginn der Proben eine große Trommel und wir improvisierten dazu. Es flogen Stühle, dann küssten Bruce und ich uns. Da waren grosse Emotionen wie Liebe, Hass und Angst im Spiel. Wir sind so weit gegangen wie sonst nur Schauspieler. Dann setzte die Musik ein und wir gingen völlig aufgewühlt in das Schlussduett“, erinnert sich Brillembourg.

Beiers Inszenierung eröffnet einen zeitlosen, faszinierenden Blick auf Geschlechterverhältnisse, hat „tradierte Schleier weggerissen, und so den Ausblick, was dringend nötig, beachtlich weit geöffnet“, schrieb Heinz Josef Herbort damals in der Zeit. „Wir sind fünf Jahre älter und andere Menschen geworden“, meint Brillembourg, „ich bin selbst gespannt, was am Sonntag passiert“. Ute Schalz-Laurenze