Wenn die Mörderhand räumlich grabscht

■ Beim 3-D-Film Festival im Kino 46 gibt es Horror, Action, Thrill und Sex sehr plastisch – in sieben Produktionen

Wenn es dann endlich funktioniert, kann die Wirkung tatsächlich sehr verblüffend und irritierend sein. Wenn der Zuschauer die Spezial-Brille aufgesetzt hat, bei der Technik alles stimmt und es dem Vorführer sogar gelingt, den Film scharf einzustellen , dann kann man tatsächlich die Menschen, Monster, Räume und Dinge aus dem Film hervortreten sehen.

Bei dem atmosphärischen Horrorfilm „The Maze“ beeindruckend ist es etwa immer wieder, dass ganz simpel etwas oder jemand ganz nahe an der Kamera, in der Mitteldistanz oder weiter weg im Hintergrund aufgenommen wurde, und man dies tatsächlich räumlich sehen kann. Da ist es dann schließlich auch egal, wenn das Monster sich als lächerlicher großer Frosch entpuppt, denn der Regisseur W.C. Menzies hat sich so auf die plastischen Effekte konzentiert (sogar die Filmtitel scheinen im Raum zu schweben), dass man kaum durch Geschichte, Gruseleffekte oder gute Schauspielerleistungen vom reinen dreidimensionalen Sehen abgelenkt wird. Dabei ist dieser Film noch der technisch Gröbste von den insgesamt sieben 3-D-Produktionen, die in dieser Woche im Kino 46 vorgeführt werden. Man muß ihn mit der typischen Pappbrille ansehen, bei der jeweils ein Auge alles rot und das andere alles grün sieht, sodaß sich das Gesamtbild dann statt schwarzweiß eher schummrig rotgrün zusammensetzt. Die anderen Filme werden mit den viel effektvolleren Polariationsbrillen angesehen und auf eine spezielle Silberleinwand projiziert, sodaß bei ihnen Farben und Lichtstärke unverändert erscheinen.

Mit einer dreidimensionalen Bildwirkung im Kino hatte man schon in der Stummfilmzeit experimentiert, technisch war das Problem auch bald gelöst, nur der Aufwand bei der Aufnahmen (zwei genau aufeinander einjustierte Kameras) und in den Kinos (lange Zeit zwei Projektoren, durch die die Filmrollen genau synchron laufen mußten) war immens. Doch als in den frühen 50er Jahren das Fernsehen begann, dem Kino das Publikum wegzulocken, gehörten technische Erneuerungen zu den Gegenstrategien Hollywoods: riesige Leinwände, Stereoton, lächerliche Gimmicks wie das Geruchskino und eben der 3-D-Film, der ein paar Jahre lang auch wirklich das Publikum in die Kinos lockte. Dabei hatte er immer etwas von einer Jahrmarktattraktion, und so wurden fast nur triviale B-Movies in diesem Verfahren gedreht. Der berühmteste ist sicherlich „The Creature from the Black Lagoon“ von Jack Arnold, der leider nicht in diesem Programm zu sehen ist. Dafür wird der zweite große 3-D-Horror-Film-Hit „House of Wax“ von Andre de Toth gezeigt, der von vielen Kritikern als der gelungenste dreidimensionale Film angesehen wird. Die erste Welle dieser speziellen Filmgattung verebbte schnell: Das Verfahren war zu kostspielig, das Publikum hatte sich schnell sattgesehen und so drehte Alfred Hitchcock zwar 1953 seinen Film „Dial M for Murder“ noch im 3-D-Verfahren, brachte ihn aber in dieser Version gar nicht mehr heraus, sodass sie in den 80er Jahren erstmals in einige wenige Kinos kam. Seit den 70ern waren dann 3-D-Filme als kultige Camp-Kuriositäten en vogue. Andy Warhol drehte „Flesh for Frankenstein“, in dem das Fleisch schön eklig aus der Leinwand heraus spritzte, und sehr gerne wurden Fortsetzungen von Erfolgsfilmen dreidimensioniert („Der Weiße Hai 3“. „Terminator 2“, „Freitag der Dreizehnte 3“). Gezeigt wird aus dieser Phase des räumlichen Kinos die Großproduktion „Amityville 3-D“ von Richard Fleischer, als dessen schaurigster Effekt eine rosa Frisbee-Scheibe gilt, die direkt auf den Zuschauer zu geworfen wird.

Ansonsten gibt es noch ein paar selten gezeigte Spezialitäten im Programm, so einen 3-D-Zeichentrickfilm („Starchaser: the Legend of Orin“), einen Actionfilm aus Taiwan („Dynasty“) und als einzige deutsche Produktion, die zu finden war, ein Sexfilmchen aus den 70ern mit Ingrid Steeger (“Liebe in drei Dimensionen“).

Die Faszination des räumlichen Sehens in Kino und Fernsehen ist immernoch beträchtlich. Bei der Olympiade in Sydney konnte man mit der passenden Brille vor dem Fernseher den Hundertmeterlauf der Herren als 3-D-Spektakel sehen, in den Imax-Kinos werden Jean-Jacques Annauds Spielfilm „Wings of Courage“ oder „T-Rex 3D“ als riesige plastische Schaustücke gezeigt, und die Forschung verspricht für die Zukunft ein ganz neues holographisches Kino.

Wilfried Hippen

Das „3-D-Filmfestival“ läuft vom 10. bis 15. 1. im Kino 46. Alle Filme laufen als Originalfassungen ohne Untertitel. Die Spielzeiten stehen in der Kinotaz und im Internet unter „ www.kino46.de