Kontinuität ist nicht alles

Mit einem konventionellen Konzept gewinnen Berliner Architekten Bauwettbewerb für das neue Stadtviertel am Ostbahnhof. Neben der Anschutz-Sportarena plant der Investor Büro- und Wohnviertel in Blöcken und Türmen. Bezirk findet das zu altbacken

von ROLF LAUTENSCHLÄGER

Der neue Plan ist in Wahrheit ein alter. Er ist das Resultat beharrlicher Beschäftigung mit ein und demselben Thema: nämlich der dichten Bebauung für das brachliegende Areal zwischen Spree und Ostbahnhof.

Anfang der 90er-Jahre legte das Berliner Architekturbüro Hemprich/Tophof einen städtebaulichen Entwurf für das tote Industriegelände am Spreeufer vor. Später beteiligte man sich mit dem kompakten Konzept an einem internationalen Bauwettbewerb für das gleiche Gebiet. 2001 wurde das Team von der Berliner Bauverwaltung für das „Gutachterverfahren Areal am Ostbahnhof“ vorgeschlagen, das die Londoner Anschutz-Gruppe initiierte, die dort neben der geplanten großen Sportarena ein neues Stadtviertel in den Dimensionen des Potsdamer Platzes mit Wohnungen, Büros, Einkaufszentren, Hotels und Unterhaltungseinrichtungen aus dem Boden stampfen will.

Am Mittwoch entschieden die Gutachter des Investors, des Landes und des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg sich – von fünf eingereichten Planungen – für den Entwurf von Hemprich und Tophof. Eine Erfolgsgeschichte? Glück, der richtige Riecher oder Können des jungen Architekturbüros? Julia Tophof machte es knapp und sagte in Siegerlaune: „Schön, dass sich Kontinuität durchsetzt. Danke.“

Natürlich ist der Plan nicht ganz der alte und ob er in dieser Form jemals realisiert werden kann, muss abgewartet werden. Zwar konnten die Architekten, ganz in der umstrittenen Berliner Bautradition der 90er-Jahre, die Struktur dichter Bebauung aus Blöcken und Höfen überwiegend beibehalten. Doch weil das Gelände für die Anschutz-Gruppe sich in wesentlichen Punkten verändert hat, funktioniert die Beziehungen zwischen Blöcken und dem angrenzenden Raum nicht immer: Als Vorgabe der Planung kam die vom Land favorisierte Anschutz-Sportarena am Ostbahnhof für 16.000 Zuschauer hinzu. Außerdem sollte eine Anbindung an das benachbarte Kreuzberg geschaffen werden und das Quartier sich mit den Industriegebäuden und der „Oberbaumcity“ verknüpfen.

Nach Ansicht von Hans Stimmann, Senatsbaudirektor und Mitglied der Jury, ist dies mit dem Hemprich-Tophof-Projekt „bestens gelungen“. Um die Halle und einen großen Platz, der sich zur Spree öffnet, gruppieren die Architekten vier Stadtquartiere, „die den Charakter eines durchmischten Quartiers erlebbar machen“. Zur Flußseite hin orientieren sich danach zwei dichte Ensembles für Büros und Wohnungen. Östlich der Sporthalle platzieren die Planer ein Hochhausensemble mit Türmen bis zu 120 Meter Höhe. Westlich der Halle sollen lange Riegel für Büros und Gastronomien entstehen, die von zwei kleineren Turmbauten abgeschlossen werden und für den Blick nach Kreuzberg einige Platten der East-Side-Gallery fallen. „Ganz wie am Potsdamer Platz, fast venezianisch zur Spreeseite, dicht und durchmischt“, freute sich Stimmann. Die 21 Hektar mit rund 850.000 Quadratmeter Bruttogeschossfläche hatten die Schüler des Masterplaners gut geschultert.

Nicht dass der Hemprich-Tophof-Entwurf schlecht wäre. Er ist gut. Doch nicht gut genug. „Einverstanden“, kritisierte Anschutz-Managementdirektor Detlef Kornett, sei man mit der „klaren Struktur der Ensembles und Plätze“. Aber für das neue Stadtquartier insgesamt gebe man sich mit den vorhandenen Planungen „nicht zufrieden“, obwohl diese die meisten Potenziale biete. Darum werde das Ergebnis „nicht eins zu eins umgesetzt“, statt dessen sollten weitere Wettbewerbe folgen, sagte Kornett.

Was ihm genau nicht passte, ob es die zu massive Überlagerung der Blockstruktur oder die typische Berliner Traufhöhe war, wollte der Investorenmanager nicht mitteilen. Das übernahm Franz Schulz, grüner Baustadtrat des Bezirks. Dem war der Entwurf schlicht zu altmodisch, die Berliner Baugeschichte aus dichten Blöcken und einer kleinen Hochhauslandschaft daneben zu wenig aussagekräftig. Man werde sich die Pläne deshalb „noch einmal anschauen sowie überarbeiten müssen“ und sich um „weniger Masse und größere Qualität“ bemühen wollen.

Wie bei manchen Dingen soll auch hier die Zeit helfen. 10 bis 20 Jahre rechnet Schulz mit der Realisierung der gesamten Planung, von der nur die Halle schon 2004/2005 fertiggestellt sein soll. Da bleibe Raum, auf neue Entwicklungen „zu reagieren“.

Das kann vieles sein: eine andere Nutzungsstruktur, eine andere Architektursprache, andere Ideen. Wieviel von der besagten Kontinuität dann noch bleibt, wird man sehen.