Gysi geht in die Wirtschaft

Der PDS-Frontmann sieht das Amt des Berliner Wirtschaftsenators als Chance für die Partei. Gestern verkündete Gysi sein Ziel: „Wir wollen unseren Ruf verändern“. Dann versuchte er, seinen Freund Lothar Bisky zu überreden, Kultursenator zu werden

aus Berlin ROBIN ALEXANDER

Endgültig hat sich Gregor Gysi in der Nacht zum Mittwoch entschieden. Zu wichtig sei eine gute Besetzung des Berliner Wirtschaftssenators für die weitere Entwicklung der PDS, um den Posten an einen Genossen aus der zweiten Reihe zu vergeben. Gysi muss es selbst machen, befand Gysi in einem Gespräch mit dem Berliner PDS-Fraktionschef, Harald Wolf, und dem Berliner Parteivorsitzenden, Stefan Liebich. Gestern Morgen erklärte er der Bild-Zeitung: „Wir werden dem Landesvorstand vorschlagen, mich dem Abgeordnetenhaus als Senator für Wirtschaft vorzuschlagen.“ Der PDS-Landesvorstand traf sich gestern erst am Abend, die Nominierung Gysis galt jedoch als Formsache.

Im Wahlkampf hatte Gysi auch das Amt des Kultursenators für sich erwogen. Jetzt entschied er sich für die Wirtschaft, da er glaubt, aus dieser Funktion den Postkommunisten ein wirtschaftsfreundlicheres Image verschaffen zu können: „Wir wollen unseren Ruf verändern.“ Schon im Wahlkampf hatte Gysi auf Empfängen der Berliner Wirtschaft charmiert, dass sogar Günter Rexrodt von der FDP neidisch wurde. Tatsächlich äußerten die Wirtschaftsverbände in den vergangenen Tagen Einwände gegen die Vergabe des Ressorts an die PDS, weniger jedoch gegen die Person Gysi. Die örtliche Industrie- und Handeslkammer warnte am Dienstag paradoxerweise vor dem „Anschein von Planwirtschaft“, begrüßte aber Gysis Bereitschaft, als Senator anzutreten: „Dann ist es gut, dass es der einflussreichste PDS-Politiker ist.“

Spannend blieb gestern lange die Besetzung der beiden anderen Senatsposten, die im neuen Berliner Senat ebenfalls an die PDS gehen werden. Gysi bemühte sich in einem persönlichen Gespräch am Nachmittag, doch noch Lothar Bisky für das Amt zu gewinnen. Der ehemalige PDS-Vorsitzende Bisky, einer der prominentesten Politiker der Partei, genießt in der Kulturszene der Hauptstadt hohes Ansehen. Allerdings war in seiner persönlichen Lebensplanung die Übernahme eines Senatorenamtes nicht vorgesehen. Für den Fall, dass sich Bisky nicht in die Pflicht nehmen lässt, plante die Partei mit Thomas Flierl. Der 44-jährige ehemalige Baustadtrat wird in der PDS als intelligent geschätzt und mit konzeptionellen Aufgaben betraut. Außerhalb der Partei hat Flierl jedoch ein problematisches Image als Verhinderer und Neinsager.

Auch für das dritte PDS-Ressort (Gesundheit, Soziales, Verbraucherschutz) versuchte die Parteiführung gestern einen Promi zu gewinnen: Petra Pau, stellvertretende Fraktionschefin im Bundestag und stellvertretende Bundesparteivorsitzende. Pau, die lange Jahre den Berliner Landesverband leitete, hatte während der Koalitionsverhandlungen die Übernahme eines eher unwichtigen Ressorts intern abgelehnt. Bleibt Petra Pau bei ihrem Nein, wird Carola Freundl Senatorin, die frühere PDS-Fraktionschefin im Berliner Abgeordnetenhaus. Bei Redaktionschluss dieser Ausgabe dauerten die Gespräche mit Bisky und Pau noch an.