„Ganz im Gegenteil, ganz im Gegenteil“

Bedeutet die Verlegung deutscher Soldaten nach Kuwait einen bevorstehenden Militäreinsatz gegen den Irak? „Illusorisch“ findet das Rudolf Scharping. Ansonsten mochte der als „geschwätzig“ geschmähte Verteidigungsminister gestern nichts bestätigen und nichts dementieren

BERLIN taz ■ Durch „Schwatzhaftigkeit“ habe Rudolf Scharping das Vertrauen der USA verspielt, warf die CSU gestern zum Abschluss ihrer Klausurtagung in Wildbad Kreuth dem Bundesverteidigungsminister vor. Der tat unterdessen auf einer Pressekonferenz in Berlin alles, um diese Charakterisierung zu widerlegen – und sorgte damit für einen gelegentlich kabarettreifen Verlauf der Veranstaltung.

Unter keinen Umständen wollte der Minister Meldungen bestätigen, denen zufolge noch in diesem Monat ein Vorauskommando von ABC-Abwehrkräften der Bundeswehr auf die arabische Halbinsel – genauer: nach Kuwait – verlegt werden soll. Dementieren wollte Scharping diese Meldungen aber ebenso wenig. Unter solchen Umständen wird aus einer ganz normalen Pressekonferenz ein kunstvoller Eiertanz. „Es bleibt bei der Linie, dass wir uns weder drängen noch drücken“, sagte der Minister zum Thema der Bekämpfung des internationalen Terrorismus.

Was das konkret heißen soll, blieb offen: „Bis zu dieser Minute“ sei noch keine Entscheidung getroffen worden über die Verlegung der Abwehrkräfte, erklärte Scharping. Aber: „Es gibt Planungen, das ist ganz normal.“ Und: „Planung ist die Vorbereitung jeder Entscheidung.“ Die Planungen seien so weit fortgeschritten, dass jederzeit entschieden werden könne. „Ich werde Ihnen dann etwas sagen, wenn sich die Planungen zu Entscheidungen verdichten.“

Ob man davon ausgehen könne, dass in den nächsten Tagen ein Fact-Finding-Team in die Region reisen werde? „Sie sollten davon ausgehen, dass das Fact-Finding-Team längst zurück ist.“ Ohne Erkundung könne man schließlich nicht planen. Und folgerichtig auch nicht entscheiden. Was für eine Aufgabe könnten die ABC-Abwehrkräfte in der Region denn überhaupt übernehmen? Und wo? „Einzelheiten des Einsatzes solcher Kräfte werden öffentlich nicht bekannt gegeben.“

Bestimmten Spekulationen wollte der Verteidigungsminister allerdings ganz entschieden entgegentreten: „Es gibt keine Anzeichen dafür – ganz im Gegenteil, ganz im Gegenteil – dass irgendeine militärische Planung im Zusammenhang mit dem Irak in Planung wäre.“ Als „illusorisch“ bezeichnete es Scharping, dass die Verlegung deutscher Einsatzkräfte ein „Signal“ für einen Militäreinsatz gegen den Irak sein könne. Der Minister verwies darauf, dass Deutschland sich verpflichtet habe, der Anti-Terror-Koalition bestimmte Fähigkeiten bereitzustellen. Um die „Verfügbarkeit von Fähigkeiten“ herzustellen, habe die Bundeswehr deshalb „ganz selbstverständlich“ mit einsatzvorbereitender Ausbildung begonnen. Im Übrigen, so Scharping, hätten die ABC-Abwehrkräfte, wie schon der Name sage, „eine rein defensive Funktion“.

In den nächsten Tagen sollen die Obleute des Verteidigungsausschusses zu einem Informationsgespräch eingeladen werden. Vielleicht erfahren sie ja mehr als die Öffentlichkeit. Zu entscheiden bleibt den Parlamentarieren allerdings voraussichtlich nichts mehr: Das Mandat des Deutschen Bundestages erlaubt die Entsendung von Bundeswehrsoldaten in (fast) die ganze Welt – jedenfalls solange die Regierungen der betroffenen Länder dem zustimmen. Einwände der politischen Führung in Kuwait sind in diesem Zusammenhang nicht zu erwarten. BETTINA GAUS