In Saddams Vorgarten

Wenn es gegen Irak geht, werden deutsche ABC-Einheiten gebraucht – um den USA in Kuwait den Rücken zu stärken

von ANDREAS ZUMACH

Mit „Überaschung“ haben SicherheitspolitikerInnen der rot-grünen Regierungskoalition wie der Oppositionsfraktionen von CDU/CSU und FDP auf die Pläne zur Verlegung von Fuchs-Spürpanzern und ABC-Einheiten der Bundeswehr in Iraks südliches Nachbarland Kuwait reagiert. Sollte die „Überraschung“ dieser Abgeordneten echt und nicht geheuchelt sein, offenbart sie eine Ahnunglosigkeit oder Naivität, die die Qualifikation dieser PolitikerInnen für ihr Amt erheblich in Frage stellt. Denn ein militärisches Vorgehen gegen Irak gehört seit der ersten Woche nach den Terroranschlägen vom 11. September offiziell zu den Handlungsoptionen der Bush-Administration.

Besonders Gründe der politischen Opportunität haben Washington bislang zwar noch von einem militärischen Vorgehen abgehalten, zugleich laufen aber alle praktischen Vorbereitungen, um diese Option bei Bedarf umsetzen zu können. Ein ganz wesentlicher Bestandteil dieser Vorbereitungen waren von Anfang an Washingtons Bemühungen um die Fuchs-Panzer und ABC-Truppen der Bundeswehr. Nur an diesen militärischen Kapazitäten Deutschlands zeigte das Pentagon ernsthaftes Interesse bei den intensiven Beratungen mit dem Bundesverteidigungsministerium, die ebenfalls bereits Mitte September aufgenommen wurden (siehe taz v. 18. 10. 01). Die amerikanische Seite ließ bei diesen Beratungen überhaupt keinen Zweifel daran, dass die deutschen ABC-Truppen und Fuchspanzer ausschließlich im Rahmen etwaiger militärischer Aktionen gegen Irak zum Einsatz kommen sollen. Denn unter allen Staaten, die im Zusammenhang mit dem „Krieg gegen Terrorismus“ als Ziel oder Operationsgebiet amerikanischer Militärs genannt werden, ist Irak der einzige mit mutmaßlichen B- und C-Waffen-Kapazitäten.

Bei dieser Vorgeschichte musste für jeden Abgeordneten des Bundestags klar sein, dass mit dem Beschluss vom 16. November auch grünes Licht für einen Einsatz der Bundeswehr im Operationsgebiet Irak/Kuwait gegeben wurde – selbst wenn dieses Operationsgebiet damals noch mit der Formulierung „arabische Halbinsel“ verklausuliert wurde. Innerhalb der Bush-Administration gibt es inzwischen keine Debatte mehr darüber, ob irgendeine Verbindung nachweisbar ist zwischen dem Regime von Saddam Hussein und den Terroranschlägen vom 11. September.

„Irak ist ein Terrorstaat. Denn Saddam Hussein verfügt über Massenvernichtungswaffen, hat in der Vergangenheit diese Massenvernichtungsmittel eingesetzt und wird dies auch künftig tun.“ Dieser simplen Behauptung zunächst lediglich rechter Kritiker von Präsident Bush wird inzwischen selbst von Außenminister Colin Powell nicht mehr widersprochen. Powell, bislang noch der ranghöchste Gegner eines Militärschlages gegen Irak, verweist in erster Linie auf die möglichen Folgen für die wesentlich von ihm geformte „internationale Koalition gegen den Terrorismus“. Diese Sorge gilt in erster Linie den Verbündeten Washingtons in der arabischen und der islamischen Welt. Mit Blick auf Deutschland, Großbritannien und andere Nato-Partner, die bislang einen Militärschlag gegen Irak abgelehnt haben, nimmt in der Bush-Administration die Einschätzung zu, dass diese Staaten ihren Widerspruch aufgeben und sich sogar aktiv beteiligen werden, wenn Washington wie im Fall Afganistan die entschlossene Führung übernimmt.

Von Gewicht sind in Washington die erheblichen Bedenken der Türkei gegen einen Angriff auf Irak – Ankara befürchtet, der Angriff könnte den Zerfall Iraks zur Folge haben und die Dynamik für einen kurdischen Staat im Norden verstärken und damit den kurdischen Südosten der Türkei destabilisieren. Diese Bedenken decken sich mit jenen, die die Bush-Administration bereits am Ende des Golfkriegs von 1991 davon abhielt, Bagdad zu erobern und das Regime von Saddam Hussein zu stürzen. Ein militärischer Schlag gegen Irak würde nach bisherigen Meldungen des Pentagons mit massiven Luftangriffen beginnen. Ob und wann Bodentruppen eingesetzt würden, ist noch offen.

Welche Rolle deutsche ABC-Truppen und ihre Fuchspanzer in einem solchen Szenario spielen sollen, ist noch offen. Denkbar ist, dass sie nur in Kuwait eingesetzt würden, zum Schutz des dortigen US-Stützpunktes – für den Fall, dass Saddam Hussein in Reaktion auf US-Angriffe mit biologischen oder chemischen Waffen bestückte Raketen gegen den Stützpunkt einsetzen sollte.